Der Sportplatz

Er befindet sich etwas außerhalb des Ortes und wird vor allem zur Austragung von Sportturnieren genutzt.

[Luca und Ren cf: Kovor, Haus von Lucas Familie und Ren]

Sie waren den Weg zu dem dunklen Sportplatz schon so oft gegangen in den letzten Wochen, dass ihre Beine sie nun beinahe automatisch dorthin trugen. Obwohl es bereits dunkel war und sie sich hier außerhalb der kleinen Ortschaft befanden, fühlte sich Ren nicht wirklich unsicher. Ob es daran lag, dass er eine beeindruckend große Waffe bei sich trug konnte der Junge nicht sagen, doch wirklich unwohl hatte er sich hier von Anfang an nicht gefühlt. Vielleicht lag es auch einfach daran, dass er Luca bei seiner Seite wusste. Auch wenn der Junge bei einem Vampirangriff vermutlich auch nicht deutlich mehr als er selbst tun konnte. Ob dieser frei zugängliche Sportplatz über ein Alarmsystem für Vampire verfügte wussten sie nicht, Ren konnte es sich aber kaum vorstellen. Hier gab es immerhin nicht einmal ein Wohnhaus. Ohne weitere Absprachen entfernten sich die beiden Jungs etwas voneinander, um mit ihren Aufwärmübungen zu beginnen. Dafür lehnte Ren seine Sense erst einmal gegen die Abtrennung zwischen den Sitzbänken und dem weitläufigen Rasen. Wie immer begann der Junge erst einmal mit einigen Dehnübungen, um seine Muskeln aufzuwärmen. Außerdem hoffte er so, etwas Wärme in seinen Körper zu bekommen. Denn obwohl sie den Weg hierher gelaufen waren, so fror Ren doch etwas. Die Kälte war beißend und würde im Laufe der Nacht nur noch weiter zunehmen. Doch das einzige, was ihn jetzt vermutlich aufwärmen würde war, wenn er endlich mit dem Training begann. Trotzdem zog Ren seine Übung so lang, bis sich seine Muskeln, die er für das Training beanspruchen würde, zumindest etwas geschmeidig anfühlten. Danach griff er nach seiner Waffe, um endlich zu dem eigentlichen Training zu kommen. Sein Blick huschte dabei kurz zu Luca, der längst sein Katana in der Hand hielt. Manchmal beneidete er diese Waffe, da sie nicht nur deutlich elegante wirkte, sondern auch wesentlich unauffälliger als seine Sense war. Trotzdem war Ren nach wie vor zufrieden mit der Wahl, die er getroffen hatte. Während das Schwert zu einer offensiven Person wie Luca passte, war diese Sense bei einem passiven Menschen wie Ren deutlich besser aufgehoben. Ohne weitere Umschweife begann der Junge mit einigen Übungen, um sich auf die große Waffe einzustimmen.

Wie immer nahm Ren seine Aufwärmübungen sehr ernst. Luca schaute ihm einen Augenblick lächelnd dabei zu, ehe er sich seinem ganz eigen Trainingsplan zuwandte. Die erste halbe Stunde trainierten sie nie zusammen. Generell stimmten sie ihr Training noch gar nicht so lange aufeinander ab. Sie hatten sich beide erst einmal an ihre eigene Waffe gewöhnen müssen, was ziemlich schwierig war im Anbetracht dessen, dass sie niemanden hatten, der ihnen dies beibrachte. Anfangs hatten sie sich auch nur getraut gegeneinander zu kämpfen, wenn sie ihre Waffen gegen Stöcke ausgetauscht hatten. Dass dazwischen Welten lagen, bemerkten sie spätestens, als sie genug Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten hatten und zu ihren richtigen Waffen gegriffen hatten. Bis jetzt hatten sie sich nie ernsthafte Wunden zugezogen und doch war ihnen beiden nur zu gut bewusst, dass sie hier mit dem Feuer spielten. Aber taten sie das nicht auch schon, alleine weil sie in einer Stadt lebten, die vor Vampiren geradezu überlief? Er wollte sich so nur selbst schützen und Ren unterstützen. Nachdem Luca in Gedanken einige Probeschläge vollführt hatte, begann er sich langsam ernsthaft auf die Waffe in seiner Rechten zu konzentrieren. Luca versuchte seine Waffe so zu führen, dass er sie ohne viel Druck mit möglichst viel Präzision lenken konnte. Kein leichtes Unterfangen, doch mittlerweile fühlte er sich einigermaßen sicher im Umgang mit seiner Waffe, weshalb er keinen Augenblick später geradezu über den weißen Rasen tänzelte und dabei gegen einen unsichtbaren Fein zu kämpfen schien. Immer wieder täuschte er Schläge an, wisch dann mit eleganten Bewegungen aus, nur um von hinten zuzuschlagen können. In der nächtlichen Kälte war sein Atem dabei immer deutlich zu sehen. Frieren tat er aber schon nach der ersten Minute nicht mehr, auch wenn die eisige Luft in seiner Lunge brannte.

Mit seiner großen Sense zu kämpfen war Ren anfangs ziemlich schwer gefallen. Nicht nur brauchte er eine enorme Muskelkraft in den Armen, um die Waffe soweit in Schwung zu versetzen, dass er kräftige Schläge ausführen konnte, auch funktionierte so eine Sense ganz anders, als zum Beispiel ein Schwert. Die Klinge war auf ihn selbst gerichtet, so dass sein Ziel sich im Idealfall zwischen ihm und der Klinge befand. Etwas, was nur bedingt zu Rens passivem Kampfstiel passte. Zumindest konnte er sich aber vorstellen, dass die meisten alleine beim Anblick der Waffe eine gebührenden Abstand halten würden. Zumindest wenn es sich dabei um einen Menschen handelte. Ren seufzte leise und hielt in seiner Bewegung inne. Er hatte die Sense mittlerweile oft genug geschwungen, um gezielte Schläge vollführen zu können. Eventuell sollte er langsam aus seinem Wohlfühlraum kommen und mit etwas neuem anfangen. Luca hatte ihm anfangs, als er sich über die Funktionsweise der Waffe beschwert hatte, eine andere Methode vorgeschlagen. Wenn er die Sense drehte konnte er damit durchaus auch zuschlagen. Ren hatte diese Anwendungsweise bisher nur einmal ausgetestet und danach nie wieder angewandt. Nicht nur kam es ihm einfach falsch vor, der Bewegungsablauf dafür war auch ein vollkommen anderer, der deutlich anstrengender war. Nachdem der Junge nun aber einen derart ereignisreichen Tag hinter sich hatte, war es nun aber vielleicht genau der richtige Augenblick, um sich einmal richtig auszupowern. Also umgriff er den Stiel der Sense mit beiden Händen fester und drehte die Klinge nach außen. Zweifelnd schaute er zu dem fehlgestellten Stahl, ehe er einmal die kalte Luft einatmete und einen Probeschlag vollführte. Nur knapp konnte er die Waffe wieder abbremsen, bevor sich die Klinge in den Rasen grub. Sofort wurde Ren wieder klar, warum er sich so lange vor dieser Anwendungsweise gedrückt hatte. Es war einfach nur ungelenk.

Obwohl sich Luca eigentlich auf sein eigenes Training hätte konzentrieren sollen, konnte er es nicht lassen, immer mal wieder zu Ren zu schauen. Sein Kumpel war offensichtlich voll und ganz auf sein Training konzentriert, was Luca etwas beruhigte. Und wenn es das hier benötigte, dass der Junge einen klaren Kopf bekam, dann war es eben so. Als er dann aber wieder einmal zu ihm schaute, konnte er seinen Augen beinahe nicht trauen. Ren hatte mit seiner Sense zugeschlagen. Eine Bewegung die vollkommen untypisch für eine solche Waffe war. Und dennoch war Luca selbst es gewesen, der dem anderen diese Anwendung vorgeschlagen hatte. Das war schon eine ganze Weile her, aber anscheinend war Ren nun so weit, es doch mal auszuprobieren. Ohne zu zögern ließ Luca seine Waffe sinken und ging schließlich zu seinem Kumpel, als dieser keine Anstalten machte weiter zu machen und stattdessen seine Waffe einfach nur zweifelnd anschaute. "Auf was wartest du?", fragte er laut und blieb außerhalb der Reichweite der Sense stehen. Vielleicht hatte sich Luca auch nur versehen, doch er war sich beinahe sicher, dass Ren das gemacht hatte, was er dachte. "Zeig es mir nochmal, ich habe es nicht richtig gesehen." Im schlimmsten Fall machte er sich mit dieser Aussage nur zum Affen, falls Ren eben einfach nur aus dem Konzept gekommen war und sich gar nichts dabei gedacht hatte. Dennoch schaute er den Jungen nun auffordernd an.

Bei den unerwarteten Worten hinter sich, zuckte Ren leicht zusammen. Er hatte nicht damit gerechnet, dass Luca ihn ansprechen würde, weshalb er ihn nun prüfend anschaute. Natürlich hatte er seinen lächerlichen Versuch beobachten müssen, Luca schien seine Augen aber auch wirklich überall zu haben. "Nein, es funktioniert einfach nicht", gab Ren sogleich wieder auf. Vielleicht hätte er es sogar noch einmal versucht, aber unter Lucas Blicken wollte er das ganze nicht noch einmal wiederholen. Er konnte ja nicht einmal glauben, dass dies mit viel Übung eine brauchbare Technik werden würde. Um seinem Kumpel jedoch nicht so vor den Kopf zu stoßen, erklärte sich Ren schließlich noch etwas. Immerhin lag es nicht nur an seinem Zuschauer, dass er wieder aufgeben wollte. "Diese Bewegungen liegen mir einfach nicht. Ich habe gerne einen flüssigen Bewegungsablauf, so etwas würde mich nur aus meiner Konzentration bringen." In seinem Kopf machte Rens Erklärung durchaus Sinn, auch wenn er sich, nachdem er sie laut ausgesprochen hatte, nicht mehr sicher war, ob Luca ihm folgen konnte. Warum hatte er ihn jetzt überhaupt auf diese Übung angesprochen? Hätte er nicht einfach für sich weiter trainieren können? Luca war heute mal wieder besonders Aufmerksam, was ihn anging. Kein Wunder allerdings, wenn Ren genauer darüber nachdachte. Immerhin war er heute auch besonders unruhig und aufgewühlt gewesen. Innerlich seufzte der Junge auf, konnte er seinem Kumpel nur schlecht irgendwelche Vorwürfe machen.

"Es geht dir nur um den Bewegungsfluss?" Luca musterte seinen Kumpel genau, doch anscheinend waren seine Worte wirklich ernst gemeint und nicht nur eine faule Ausrede. Einen Moment dachte er nach, wie er dieses Problem lösen könnte, immerhin wollte er nicht, dass Ren seinen Kopf wieder so schnell in den Sand steckte. "Du kannst mit der Sense mittlerweile wirklich sehr gut umgehen. Deswegen denke ich, dass es ganz gut ist, wenn du langsam damit anfängst, neue Techniken zu erlernen. Wenn dir der Bewegungsablauf nicht gefällt, dann ändere ihn doch so ab, dass er dir mehr zusagt. Vielleicht war ja nur einfach dein Ansatz falsch?" Aufmerksam schaute er Ren an, wobei er breit lächelte, um ihm deutlich zu machen, dass seine Worte nicht als Vorwurf gemeint waren. Sein Vorschlag war nur sehr vage gehalten, allerdings wusste Luca auch nicht, wie er präzisere Tipps geben sollte, wenn er nicht einmal genau beurteilen konnte, wo nun genau Rens Problem lag. "Wie wärs, wenn du es mir einfach noch einmal zeigst?", bat er seinen Freund daher erneut. "Dafür trainieren wir doch zusammen, damit wir uns gegenseitig unter die Arme greifen können. Ein Außenstehender hat auf alles noch mal einen ganz anderen Blick, als man selbst." Nach wie vor lächelte er seinen Kumpel geradezu liebevoll an.

Warum nur musste Luca so aufdringlich stur sein? Und das schlimmste daran war, dass er irgendwo auch noch Recht hatte. Wenn er so schnell aufgab, würde er kaum mehr mit seinem Training voran kommen. Einen Moment lang starrte Ren die Waffe in seinen Händen an. Und obwohl es sich furchtbar ungelenk angefühlt hatte, hob er die Sense erneut a. Nach einem weiteren Zögern wiederholte er schließlich die Bewegung von eben, wobei er dieses Mal jedoch deutlich früher den Schwung abbremste, so dass die Klinge gar nicht erst in die Nähe des gefrorenen Rasens kam. Zögerlich schaute er zu Luca, der dieses Mal hoffentlich richtig zugeschaut hatte und ihm nun entsprechende Ratschläge geben konnte. Es wäre nicht das erste Mal, während er selbst Luca noch nie beim Training hatte helfen können. Bei diesem Gedanken biss er sich auf die Lippe, da Ren wieder an ihr Gespräch aus dem Park denken musste. Auch wenn Luca anderer Meinung war, so war er es trotzdem, der deutlich mehr in diese Beziehung einbrachte. Ren fühlte sich, als würde er immer nur nehmen und das schlimmste daran war, dass er nicht einmal ablehnen konnte, da Luca dann beleidigt wäre. Am Anfang, direkt nach dem Zwischenfall, als Luca angefangen hatte, sich um ihn zu kümmern, hatte Ren es einige Male versucht und es schließlich genau aus diesem Grund aufgegeben. "Also?", fragte er schließlich leise mit einer Mischung aus Unbehagen und Ungeduld nach.

Kaum hatte Ren seine Sense angehoben, war Lucas Blick ernst geworden. Er hatte seinen Kumpel bei dem Schlag genauestens beobachtet und musste zugeben, dass er Recht hatte. Dieser Bewegung sah nicht sonderlich elegant und schon eher anstrengend aus. Würde sie so nach einigen Trainingseinheiten immer noch aussehen, würde Luca vermutlich aufgeben, doch aber nicht nach nur einem Schlag. Auf Rens ungehaltene Frage hin schüttelte der Junge leicht mit dem Kopf. Anscheinend hatte er sich dafür wirklich überwinden müssen. Zum wiederholten mal heute wünschte sich Luca, in den Kopf des anderen blicken zu können. Stattdessen erlöste er Ren, indem er ihm endlich seine ersehnte Antwort gab. "Du beginnst die Bewegung von oben und führst sie nach unten", begann er ganz sachlich das zu beschreiben, was er gesehen hatte. Dass es grausig aussah braucht er Ren kaum zu sagen, das wusste der Junge bereits selbst. Außerdem würde er so nur an dessen Ego kratzen. "Dein üblicher Bewegungslauf ist aber seitlich", sprach er weiter. Spätestens als sie begonnen hatten miteinander zu trainieren, hatte sich Luca an dessen Bewegungen anpassen müssen. Einen Moment ließ er seine Worte auf seinen Kumpel wirken, ehe er sie zu erklären begann. "Wenn du diesen Hieb auch seitlich ausführst, müsste es dir deutlich einfacher fallen." Natürlich wusste Luca nicht, ob es wirklich so sein würde, aber er vermutete es. Ob es aber überhaupt möglich war, das konnte wohl nur Ren entscheiden.

Ren hatte seinem Freund aufmerksam zugehört und dachte nun ausgiebig über dessen Worte nach. Wie sollte er seitlich zuschlagen können? War es dann nicht einfach ein gewöhnlicher Schlag, wie er ihn immer ausführte? Zweifelnd schaute er Luca an, ehe er seine Waffe wieder anhob. Zögerlich schwenkte er sie von links nach rechts und wieder zurück. Er führte einige seiner üblichen Schläge aus, ehe er den Schlag von eben wiederholte. Nur dass er ihn dieses Mal in einem seitlichen Winkel ansetzte. Tatsächlich ging er ihm so leichter von der Hand, da er sich immerhin keine Gedanken darum machen musste, seine Klinge im Boden zu versenken. Sonderlich toll fühlte es sich trotzdem nicht an, zumal er das Gefühl hatte, dass ihm dadurch eine menge Kraft verloren ging. "Das funktioniert so einfach nicht", wandte er sich wieder an Luca. "Es ist total ineffizient und Kontrolle habe ich so auch keine." Zu gerne wüsste er, wie Luca sich das ganze genau vorstellte. Zu schade, dass er ihm nicht einfach die Sense in die Hand drücken konnte, damit er es ihm vormachte. Doch diesen Versuch hatten sie bereits einmal gestartet und Luca war einfach niemand, der mit einer Sense umgehen konnte. Generell wünschte sich Ren jemanden, der ihm zeigte, wie man mit einer Sense kämpfte. Genauso wie Luca jemanden brauchte, der ihn in die Kunst der Schwertkämpfe einführte. Sie waren einfach nur Laien und so gut sie sich auch fühlten, gegen jemanden mit Ahnung hätten sie vermutlich null Chance. Wie sollten sie so dann auch noch gegen Vampire kämpfen? Es war nicht das erste Mal, dass Ren solche Zweifel hatte, weswegen er sie sogleich wieder aus seinem Kopf verbannte. Sie würden ihn auch dieses Mal nicht weiter bringen.

Rens nächster Schlag sah schon deutlich besser aus und er konnte sich tatsächlich vorstellen, dass er noch heute eine geeignete Technik entwickeln könnte. Stattdessen warf sein Kumpel aber schon wieder die Flinte ins Korn. Luca wurde langsam das Gefühl nicht los, dass der andere gar nichts neues lernen wollte. Vorwerfen würde er ihm das mit Sicherheit aber nicht, vielleicht war heute auch einfach nicht Rens Tag und er wollte einfach nur sein übliches Training machen. Bevor Luca es aber auf einen späteren Tag verschob, startete er noch einen letzten Versuch. "Es sah schon deutlich besser aus. Wir können uns nur weiterentwickeln, wenn wir uns ausprobieren, natürlich ist es dann nicht von Anfang an perfekt." Mit einem sanften Lächeln schaute er seinen Kumpel an. "Teste dich ruhig aus. Versuch verschiedene Dinge und gib nicht sofort auf, wenn es beim ersten Mal nicht funktioniert." Seine Worte waren keineswegs als Vorwurf gemeint, sondern nur als guter Ratschlag. Um Ren aber wirklich noch etwas mit an die Hand zu geben, äußerte er sich auch noch zu der neuen Technik. "Mit der seitlichen Bewegung kommst du deutlich besser zurecht, aber dir fehlt die Kraft und Kontrolle?" Kurz tat Luca so, als würde er nachdenken. "Was, wenn du diesen Schlag mit einem deiner normalen Schläge kombinierst? Die Stärke kannst du auch noch hinzufügen, wenn du ausreichend Kontrolle hast." Hoffentlich verstand Ren, worauf er hinaus wollte. Doch bisher hatte er all seine Vorschläge umsetzen können und immerhin war er es, der ein Gefühl für diese Waffe hatte und wusste, was möglich war, und was nicht.

Während er selbst die ganze Zeit über aufgeben wollte, versuchte Luca ihn immer weiter zu motivieren, weiter zu machen. Das war so typisch für den Jungen und steckte schließlich auch Ren an. Wie eben schon hatte er seinem Freund aufmerksam zugehört und dachte nun darüber nach, wie er seinen Vorschlag am besten umsetzen konnte. Er sollte sich selbst austesten. Das machte natürlich Sinn, doch wie sollte Ren das in Ruhe machen, wenn er so genau beobachtet wurde? Und obwohl es lediglich die Blicke Lucas waren, einem Menschen, dem er vollkommen vertraute, machten sie ihn dennoch nervös. Während er versuchte diese Gedanken mitsamt der störenden Gefühle zu verbannen, schweiften Rens Gedanken wieder zu seinem eigentlichen Problem. Der Schlag. Er sollte ihn mit seinen gewöhnlichen Hieben verbinden? Wie stellte Luca sich das vor? Dafür müsste er viel zu viel Schwung holen und würde sich letztendlich vermutlich im Kreis drehen. Nichts was man gebrauchen konnte, wenn man einen gezielten Schlag ausführen wollte. Trotzdem hob Ren schließlich seine Waffe wieder an, um es einfach auszuprobieren. Er konzentrierte sich auf einen Punkt, wo er zuschlagen wollte. Anschließend ließ er seine Waffe wieder schwenken, vollführte einige Probeschläge, ehe er in dieser Bewegung die Sense leicht anhob, um direkt zuschlagen zu können. Dank des Schwungs, den er davor aufgebaut hatte, verlor Ren jedoch sein Gleichgewicht, rutschte auf dem glatten Boden aus und stolperte einige Schritte, ehe er sich mithilfe des Sensenstiels wieder fing. Geradezu anklagend schaute er zu Luca. Im Augenblick würde er nichts lieber tun, als zu seinem gewöhnlichen Training zurück zu kehren. Warum hatte er auch mit so einem Schwachsinn angefangen?

Dieses Mal hatte es tatsächlich noch besser ausgesehen. Zumindest so lang, bis Ren das Gleichgewicht verlor und drohte zu stürzen. Luca unterdrückte nur gerade so den Impuls, seinen Freund aufzufangen, immerhin hätte er es sowieso nicht rechtzeitig zu ihm geschafft. Nachdem sich Ren selbst wieder gefangen hatte, warf er Luca einen derartig bohrenden Blick zu, dass dieser nur entschuldigend lächelte, während seine Brust sich zusammenzog. Das hatte er nun wirklich nicht gewollt, auch wenn Luca nun wirklich nichts dafür konnte, wenn der andere sein Gleichgewicht verlor. Um die Situation etwas zu entschärfen trat er einen Schritt zurück und zog sein Katana. Vielleicht brachte es Ren mehr, wenn er ihm einen visuellen Anreiz gab. Natürlich funktionierte seine Sense anders als ein Schwert, aber einen Versuch war es wert. Ohne einen Kommentar begann Luca ähnlich wie Ren eben seine Klinge zu schwingen. Stach abwechselnd rechts und links zu, ehe er auf einmal den Schwung eines Rechtsschlags mitnahm, um mit einer schnellen, gezielten Bewegung  die Klinge nach links zu rammen. Natürlich traf er ins leere und verlor dadurch kurz sein Gleichgewicht, da er die Geschwindigkeit nicht abgebremst hatte, doch mit einem entsprechenden Ziel wäre dies mit Sicherheit ein sehr effektiver Schlag gewesen. Als er seinen Blick wieder zu Ren hob schaute er diesen ernst an. "So würde ich das mit meinem Schwert machen. Vielleicht hilft es dir ja." Danach lächelte er leicht und wartete auf Rens Reaktion. Weiter würde er ihn zumindest nicht bedrängen, außer der andere wollte es auf einmal.

Auch wenn sich Ren bewusst war, dass ihre Waffen sehr unterschiedlich in der Anwendung waren, so beneidete er Luca nun doch. Bei ihm sah dieser Schlag, mit dem er solche Probleme hatte, so einfach aus, als wäre nichts weiter dabei. Wie nur würde er es schaffen, dass es bei ihm nicht nur genauso elegant aussah, sondern auch brauchbar für einen Kampf sein würde? Leise seufzte er auf, als ihm die einzige Möglichkeit selbst einfiel. Training. Viel Training. Immerhin war das auch der Grund, weswegen sie überhaupt hier waren. Heute war er einfach nur durch den Wind. "Tut mir leid, ich glaube ich lass es für heute lieber sein. Es ist wohl einfach nicht mein Tag." Er stellte die Sense neben sich in dem Schnee ab, während er an seinem Kumpel vorbei in die Nacht schaute. Hoffentlich würde Luca seine Entscheidung akzeptieren und ihn nicht weiterhin drängen. So konzentriert er auch zu Beginn seiner Aufwärmübungen gewesen war, innerhalb der letzten Minuten hatte sich Rens Kopf wieder mit unnötigen Gedanken gefüllt, die ihm sämtliche Konzentration und somit die Möglichkeit für ein erfolgreiches Training nahmen. Vermutlich konnte er schon froh sein, wenn es ihm gelang einfache Wiederholungsübungen zu machen. An das Erlernen neuer Techniken war da wohl wirklich nicht zu denken.

Der innere Kampf, den Ren gerade mit sich führte, war dem Jungen deutlich anzusehen. Luca fühlte sich etwas schlecht, da er vermutlich einen großen Teil zu diesem Zustand beigetragen hatte. "Das ist okay", versicherte er seinem Freund daher lächelnd. "Es tut mir leid, falls ich dich zu sehr gedrängt habe. Dir geht Momentan wohl einiges durch den Kopf." Luca seufzte stumm, ehe er den direkten Blickkontakt mit Ren suchte. "Falls du doch noch reden, oder einfach dein Herz ausschütten magst, dann sag bescheid. Ich werde dir jederzeit zuhören." Zwar hatte er sich vorgenommen, Ren damit für heute in Ruhe zu lassen, doch Luca wollte ihn zumindest noch einmal wissen lassen, dass er immer für ihn da war. Immerhin war es keine Aufforderung gewesen, dass sein Kumpel nun doch endlich mit der Sprach herausrücken sollte. Wenn Ren aber nicht mit ihm sprechen wollte, wäre es wohl das beste, wenn er sich wieder seinem Training zuwandte. Vielleicht brauchte sein Freund auch einfach etwas Zeit für sich selbst, was natürlich schwierig war, da sie ständig aufeinander hingen. Bei seinen Aufwärmübungen vorhin hatte Ren noch so entspannt gewirkt. Luca zerbrach sich beinahe den Kopf darüber, warum Ren ihm dann nicht einfach sagte, wenn er etwas mehr Freiraum brauchte. Dass seine Gedanken mehr als unnötig waren, bemerkte der Junge selbst nach einigen Augenblicken, was ihn nicht daran hinderte, ihnen weiter nachzugehen. Ob Ren ihn wohl mit dem vielen Nachdenken angesteckt hatte? Dabei war das doch gar nicht Lucas Art.

Ren fiel beinahe ein Stein vom Herzen, als Luca ihm sogar versicherte, dass er ihn nicht weiter drängen würde. Auch nahm seine Entschuldigung eine gewisse Last von seinen Schultern. Na toll, heute war er also nicht nur unkonzentriert und aufgekratzt, sondern auch noch vollkommen unbelastbar. Er konnte nur hoffen, dass es an dem ersten Schultag gelegen hatte und die nächsten Tage wieder nachlassen würde. Ein solches Nervenbündel wollte Ren nun wirklich nicht sein. Lucas folgendes Angebot, mit ihm zu reden, ließ Ren dann aber doch nachdenklich werden. Hatte sein Freund etwa das Gefühl, dass Redebedarf bestand? Allerdings hatte Luca ihn bereits den ganzen Tag über dazu bringen wollen, über bestimmte Themen zu sprechen. Vielleicht war er ja nicht der einzige, der hier voller Unsicherheiten war? Einen Augenblick musterte er Luca genauer. Über seine ganze Grübeleien hatte er heute kaum auf den anderen geachtet. Allerdings wirkte Luca nicht sonderlich unentspannt. Auch wenn Ren sein Gesicht in der Dunkelheit nicht wirklich erkennen konnte, so war er sich doch sicher, dass er gelassen wie eh und je aussah. Oder? "Danke, aber im Moment wüsste ich nicht, wo ich anfangen soll", lehnte Ren ehrlich ab. Er könnte durchaus über einiges sprechen, doch tatsächlich wüsste er nicht, wo er anfangen sollte, oder ob er überhaupt mit Luca darüber sprechen wollte. Auch wenn er sein bester Freund war, so machte er manche Sachen doch lieber mit sich selbst aus.  Trotzdem waren seine Worte doch etwas beruhigend für Ren, weshalb sich kurz ein leichtes Lächeln auf Rens Lippen legte. Er könnte jederzeit auf Luca zählen. "Oder liegt dir etwas auf dem Herzen?", fragte er schließlich doch noch nach. Immerhin wollte er dem Jungen auch etwas zurückgeben und wenn er lediglich mit etwas mehr Aufmerksamkeit begann.

Verdutzt schaute Luca seinen Kumpel an. Gerade war so viel auf einmal geschehen, dass er sich erst einmal sortieren musste. Ren hatte indirekt gestanden, dass ihn eine ganze Menge beschäftigte, auch wenn er gerade nicht darüber sprechen wollte. Das musste Luca wohl oder übel akzeptieren. Gleichzeitig nahm er sich aber vor, aufmerksamer zu sein, um eine eventuelle Gelegenheit nicht zu verpassen. Dann hatte Ren seine Frage zurückgegeben, was ihn doch etwas verwunderte, da es so gar nicht Rens Art war. Nichts desto trotz freute er sich über seine Sorge und schüttelte lediglich den Kopf. Zu gerne hätte er darauf geantwortet, doch etwas anderes war gerade viel wichtiger. Im schwachen Schein der in einiger Entfernung stehenden Laternen hatte er sich möglicherweise geirrt, doch er war sich ziemlich sicher, gerade ein Lächeln auf Rens Lippen gesehen zu haben. Luca war sich zwar nicht sicher, was dem Jungen Anlass gegeben hatte, eine solche Gefühlsregung zu zeigen, doch da dies nur überaus selten vorkam, konnte Luca nicht anders, als sich zu freuen. Ein überaus breites Lächeln legte sich auf seine Lippen. "Lass uns weiter trainieren, wenn du noch Lust hast. Ich wollte heute meine neuen Techniken etwas vertiefen." Was nicht bedeutete, dass er nicht mit Ren zurück nach Hause gehen würde, wenn diesem nun die Lust vergangen war.

Anstatt eine Antwort zu bekommen, lächelte Luca ihn einfach nur an. Natürlich freute Ren sich darüber, dass sein Kumpel scheinbar so glücklich war, jedoch konnte er nicht so recht sagen, weswegen er das nun war. Ob es etwa an seiner Frage gelegen hatte? Na immerhin hatte er ihn irgendwie glücklich gemacht. Seltsam, dass er nun auf einmal so sehr darauf achtete. Innerlich seufzte Ren und schüttelte diese Gedanken dann ab. "Nein, lass uns weiter machen. Ich werde mich auch lieber auf die Dinge konzentrieren, die ich schon kann", teilte er seinem Kumpel mit und hoffte, dass das auch funktionieren würde. Zusammen würden sie heute wohl aber nicht trainieren, was angesichts seines momentanen Befindens wohl aber auch besser war. Nachher verletzte er noch Luca, was er wirklich nicht wollte. Es würde seit langem also mal wieder ein Abend sein, an dem jeder nur für sich war. Vielleicht ja genau das, was Ren nach einem Tag wie diesem brauchte. Ohne Lucas Reaktion abzuwarten, immerhin war es dessen Vorschlag gewesen, drehte sich Ren um, um zurück zu der Metallstange, die den Rasen von den Sitzbänken abgrenzte, zu gehen. Dabei trat er mit voller Absicht neben seine Spuren, die er vorhin im Schnee hinterlassen hatte. Das leise knirschen unter seinen Schuhen beruhigten den Jungen auf eine merkwürdige Art und Weiße. Zumindest so lange, bis ihm etwas seltsames auffiel. Nicht weit von dem Platz, an dem er vorhin bereits gestanden hatte, bemerkte Ren weitere Abdrücke im Schnee. Anhand des Profils konnte er sagen, dass diese Spuren eindeutig nicht von ihm stammten. Und Luca konnte es unmöglich gewesen sein, immerhin hatte er sich dort gar nicht aufgehalten, zumal sie auch gar nicht auf den Sportplatz führten. Langsam näherte Ren sich ihnen, um sie genauer zu untersuchen. Natürlich konnte es gut sein, dass die Spuren deutlich früher am Tag entstanden waren, auch wenn ihm bisher keine weiteren Abdrücke aufgefallen waren, die darauf schließen ließen, dass hier heute Menschen unterwegs gewesen waren.

Also würde ihr Training weitergehen. Luca hatte keinerlei Probleme damit. Ganz im Gegenteil freute er sich darüber, da er sich bereits eine Plan für heute Abend festgelegt hatte. Nachdem sich Ren abgewandt und er ihn einen Augenblick nachgeschaut hatte, wollte Luca ebenfalls zu seinem Platz von eben zurück gehen. Doch als sein Freund auf einmal etwas am Boden entdeckt zu haben schien, was immerhin derart interessant war, dass er es sich genauer anschaute, konnte Luca nicht anders, als zu ihm zu gehen. Bei ihm angekommen schaute er seinem Kumpel über die Schulter und erkannte sofort, was seine Aufmerksamkeit erregt hatte. Schuhabdrücke. Nun nicht gerade etwas ungewöhnliches. Immerhin lag Schnee und sie befanden sich an einem öffentlichen Platz. Jedoch störte es den Jungen, dass sie so verdammt frisch aussahen und er, als er vorhin sicher gegangen war, dass sie alleine hier waren, sie nicht bemerkt hatte. "Anscheinend haben wir Besuch", merkte er ruhig an und schaute sich dann aufmerksam um. Die Spuren führten von dem Sportplatz weg. Weit und breit war niemand zu sehen. Dennoch war Luca nun alarmiert und würde unter diesen Umständen nicht einfach wieder zu seinem Training zurückkehren. Für alle Fälle legte er seine rechte Hand auf dem Griff seines Katanas ab, bevor er näher an die Schritte herantrat. Vielleicht handelte es sich dabei auch nur um einen Menschen, der sie gesehen hatte und lieber wieder schnell verschwunden war. Oder er konnte sich auch einfach irren und es handelte sich dabei um ältere Spuren. Für alle Fälle wollte er der Spur aber dennoch nachgehen, sie konnten sich hier keine Leichtsinnigkeiten leisten.

Luca war zu ihm gekommen und hatte das ausgesprochen, was Ren bereits befürchtet hatte. Die Tatsache, dass sein Kumpel der selben Ansicht war, beunruhigte ihn ungemein. Wer konnte das gewesen sein? Und stellte dieser jemand eine Gefahr für sie da? Noch wichtiger war aber die Frage, warum sie diese Person nicht bemerkt hatten. Waren sie wirklich so sehr in ihr Training vertieft gewesen? Über die letzten Wochen hatten sie wohl stark an ihrer Vorsicht verloren, wenn sie sich an diesem Ort aufhielten. "Was hast du vor?", fragte er leise, als Luca weiterging. "Willst du der Spur folgen?" Immerhin führte sie weg. Vielleicht war es besser, wenn sie sich für heute einfach aus dem Staub machten. Wer wusste schon, was sie am Ende dieser Schritte erwarten würde. Trotzdem umgriff er den Stiel seiner Sense fester und folgte seinem Kumpel. Er würde Luca nicht alleine lassen. Und wenn dieser der Meinung war, der Spur zu folgen, dann würde er selbstverständlich mitkommen. Ein bisschen neugierig war er ja schon.

Nachdem Luca spürte, dass Ren sich direkt hinter ihm befand, ging er aufmerksam weiter. Er wusste, dass er mit seinem Kumpel die beste Rückendeckung hatte, die möglich war. "Wenn diese Spur tatsächlich von eben ist, dann kannst du mir nicht erzählen, dass du nicht neugierig bist, wer sie hinterlassen hat." Zu gerne hätte er sich kurz umgedreht, um Ren anzuschauen. Doch im Anbetracht der Situation fokussierte er sich doch lieber komplett auf den Weg vor sich, während er der Spur folgte. Jeden Augenblick rechnete Luca damit, dass ihn etwas aus der Dunkelheit heraus angreifen würde. Dementsprechend angespannt tat er einen Schritt nach dem anderen. Die Fußabdrücke führten nicht nur weg von dem Sportplatz, sondern auch von Kovor. Geradewegs auf den Wald zu. Nach einigen Metern blieb er stehen und schaute zu dem Waldrand, der sich in der Entfernung wie eine dunkle Mauer auftürmte. Obwohl es dank der dichten Wolken am Himmel sehr dunkel war, war in dem weißen Schnee doch deutlich die Spur zu sehen, wie sie bis zu dieser Finsternis führte und vermutlich auch darin verschwand. "Tzz." Für Luca war es klar, was das bedeutet. Kein Mensch bei klarem Verstand würde sich um diese Urzeit in den Wald zurückziehen. Nur mit Mühe widerstand er dem Drang in die Dunkelheit vor sich zu rufen. Vermutlich würde er sowieso keine Antwort darauf erhalten. Dafür würde er unter Umständen aber ungebetene Gäste anlocken. "Da wollte uns wohl jemand nicht kennen lernen", merkte er daher lediglich leise an Ren gewandt an. Was diese Kreatur wohl bei ihnen gesucht hatte? Ob sie in so großer Gefahr gewesen waren, ohne es zu merken? Augenblicklich lief Luca ein Schauer über den Rücken.

Mit beinahe angehaltenem Atem war Ren seinem Kumpel von dem Sportplatz gefolgt. Dabei hatte er sich ununterbrochen aufmerksam umgeschaut, um mögliche Angreifer rechtzeitig abwehren zu können. Doch es kam glücklicherweise zu keinem Angriff. Sie entdeckten nicht einmal jemanden. Die Spur führte über die weiten Felder und verschwand dort vermutlich letztendlich in dem angrenzenden Wald. Dort wollte auch Luca nicht hin, worüber er ganz froh war. "Vermutlich wurde er von unseren Stimmen angelockt und hat sich dann doch lieber für die Flucht entschieden, nachdem er unsere Waffen gesehen hat." Das war für Ren durchaus eine plausible Erklärung. Dafür hatten sie die Waffen immerhin, um sich gegen die Vampire wehren zu können. "Lass uns zurück gehen, hier werden wir niemanden mehr finden." Trotz allem wollte Ren nicht länger als nötig hier im dunklen stehen bleiben. Obwohl es total unsinnig war, fühlte er sich auf dem Sportplatz selbst deutlich wohler. Er drehte sich also um, um den ersten Schritt zu machen. Währenddessen dachte er darüber nach, was sie machen würden, würden sie tatsächlich angegriffen werden. Natürlich was es nicht das erste mal, dass er sich das fragte, doch würden sie eine Chance gegen einen Angreifer haben? Natürlich konnten sie kämpfen, aber Ren wusste aus eigener Erfahrung, wie stark auch die Vampire waren. Andererseits hätte sich ihr unbekannter Besucher wohl nicht zurückgezogen, wenn er davon ausgegangen wären, dass er sie überwältigen könnte. Auf jeden Fall hatte Ren dieser Zwischenfall wieder vorsichtiger werden lassen. Es war später Abend und schon längst dunkel. Und auch am hellichten Tag musste man immer damit rechnen, angegriffen zu werden. Sie mussten bei ihrem Training aufmerksamer sein.

"Na gut. Dann muss ich meinen Kampf wohl wieder mit der Luft führen." Nicht dass er wollte, dass sie angegriffen wurden, immerhin brachte das nach wie vor eine große Gefahr mit sich. Doch wie sollte er sich weiterentwickeln, wenn Luca immer nur seine Übungen für sich selbst machte? Vielleicht sollen sie sich nicht nur nach anderen Rebellen, sondern eventuell auch nach jemandem umschauen, der sich mit dem Waffenumgang auskannte. An der Schule würden sie zwar vermutlich keine solche Person finden, vielleicht sollten sie sich aber dennoch entsprechend umschauen. Sie trainierten nun schon lange genug alleine und langsam ging es Ren wieder so gut, dass sie sich auch einem ernsthafteren Training widmen konnten. Vorausgesetzt natürlich, Ren wollte das auch. Heute Mittag zumindest hatte Luca das Gefühl gehabt, dass seinem Freund das alles gar nicht so wichtig schien. Und auch wenn er immer wieder betonte, dass er seine Eltern rächen wollte, so war es doch Luca gewesen, der das alles vorgeschlagen hatte. Vielleicht hatte es sich Ren auch anders überlegt oder es ging ihm einfach alles zu spät. Seine körperlichen Wunden waren gerade erst am abheilen und seine Seele würde vermutlich noch deutlich länger brauchen. Vielleicht sollte Luca einfach eine Stufe zurückschalten und Ren das Tempo bestimmen lassen. Napolia war immerhin wirklich so sicher, dass man nicht unbedingt hervorragend mit Waffen umgehen können musste, um zu überleben.

Ren ließ Lucas Aussage einfach unkommentiert, während sie zu dem Sportplatz zurück gingen. Tatsächlich setzten sie ihr Training noch fort, auch wenn sie heute nicht ganz so lange machten, wie gewöhnlich. Das mochte zum einen an dem Zwischenfall mit dem unbekannten Besucher liegen, aber auch daran, dass sie nach diesem Schultag deutlich erschöpfter als sonst waren. Der Hauptanlass war jedoch das Einsetzen eines dichten Schneefalls gewesen. Dadurch war die eisige Kälte zwar gefühlt etwas milder geworden, die Sicht war aber gleichzeitig so schlecht geworden, dass Ren noch kam die Klinge seiner Sense sehen konnte. So viel Schnee war deutlich gefährlicher als die Dunkelheit der Nacht. "Das wird ja immer schlimmer", merkte Ren an, während sie nebeneinander zurück nach hause gingen. Natürlich war es klar, dass es zu dieser Jahreszeit immer mal wieder schneite, immerhin hatte es das die letzten Tage über immer wieder getan, doch so einen dichten Schneefall hatte Ren selten gesehen. "Da wird morgen wieder ordentlich Schnee liegen." So schön er diesen auch fand und so gerne er den Flocken bei ihrer stillen Wanderung zur Erde zuschaute, der Schulweg würde morgen auf jeden Fall eine spaßige Angelegenheit werden, sofern die Busse hier überhaupt fuhren. Die Straße in die Stadt war in der Vergangenheit zwar immer gut freigeräumt gewesen, aber dieses Jahr war immerhin nichts wie sonst. Ganz zu schweigen von den ganzen Schneeballschlachten, die es dann vermutlich in der Schule geben würde. Bei dem Gedanken verzog Ren seine Lippen.

"Heute will uns wohl wirklich alles vom Training abhalten, was?", scherzte Luca, auch wenn es schon stimmte. Erst schlief Ren ein, so dass sie später los gingen. Dann diese Spuren im Schnee, denen sie gefolgt waren und nun dieser regelrechte Schneesturm, der ihnen jegliche Sicht nahm. Ganz zu schweigen von all den anderen Sachen, die heute vorgefallen waren. Vielleicht wäre es wirklich besser gewesen, wenn sie sich vorhin einfach ins Bett gelegt und geschlafen hätten. Zumindest war Luca froh, wenn sie gleich wieder zu Hause waren und er eine warme Dusche nehmen konnte. Mittlerweile war er merklich am frieren, war die erwartete Bewegung immerhin ausgeblieben. "Wenn es die ganze Nacht oder nur die nächsten Stunden so weiter geht, dann wird die Schule morgen wohl flach fallen", merkte Luca an. Wirklich traurig war er nicht darüber, dennoch stimmte es ihn nachdenklich. Er lebte bereits sein ganzes Leben hier in Kovor und er konnte sich bei weitem an keinen Winter erinnern, der so extrem war. An sich wäre auch das kann Problem für sich, gäbe es da nicht diesen kleinen Umstand. Die Infizierten. Sollten sie nun dank starker Schneefälle von der Stadt abgeschnitten werden, würden sie leichte Beute werden. Dessen war sich der Junge sicher. "Ich versteh sowieso nicht, warum die Wiedereröffnung und der Beginn des neuen Schuljahres mitten in den Winter gelegt wurde", murmelte Luca vor sich hin, einfach, um sich auf andere Gedanken zu bringen.