Luises und Timos Haus

[Luise cf: Hochschule, Die Aula]

Zu Hause angekommen schloss Luise die Haustür auf. Ihre Tante würde noch arbeiten und ob Timo bereits da war konnte sie nicht sagen. Als erstes wurde sie von Minka begrüßt. Sie hatte die Katze ihrem Bruder geschenkt, damit dieser nicht mehr so alleine war. Kurz streichelte sie das Tier, dann ging sie ins Wohnzimmer, wo ihr Bruder vor dem Fernseher saß.
"Hab ich dir nicht gesagt, du sollst nicht so viel fern schaun?" Es war schlimm mit ihrem Bruder. Wenn man ihn nicht vor dem Fernseher vorfand, dann war er höchstwahrscheinlich nicht zu Hause. Er schlief auch oft genug auf dem Sofa ein. Er schaute irgendeine Zeichentricksendung, also nichts worum sie sich Sorgen machen müsste.

Luise war froh, dass es ihrem Bruder gut ging. "Wie war dein Schultag? Lief alles gut? Und hast du schon etwas gegessen?" Bombardierte sie ihren Bruder mit Fragen und stellte ihre Tasche neben der Tür ab. Sie würde sich etwas zu Essen machen und dann etwas schlafen, damit sie für heute Nacht fit war. Ihre Tante kümmerte sich eh kaum darum, was die beiden Kinder taten. Auch wenn ihr Bruder etwas mehr Fürsorge benötigt hätte, so war das Mädchen dennoch zufrieden damit, dass es so viele Freiheiten genießen konnte.

Den heutigen Schultag hätte sich der Junge wirklich sparen können. Er hatte zwar nette Klassenkameraden, doch heute wurde nur ein langer und langweiliger Vortrag gehalten, um die Schule und Angebote kennen zu lernen. Er hatte sowieso nicht zugehört, wie wohl die meisten Schüler. Er hätte mit seinen Kollegen noch was unternehmen könne, doch er wusste, dass Luise es nicht mochte, wenn er sich irgendwo herum trieb, auch wenn andere Leute bei ihm waren. Sie hätte es sowieso herausbekommen, seine Schwester wusste immer, wenn er sie belog.
Nun saß er, wie eigentlich immer, wenn er zu Hause war, vor dem Fernseher und schaute sich irgendeinen Mist an. Ihm war langweilig und es ärgerte ihn etwas, dass er hier alleine herumsitzen musste.

Timo hörte, wie seine Schwester die Tür aufschloss und schließlich zu ihm ins Wohnzimmer kam. Er ignorierte gekonnt ihre 'Begrüßung' und antwortete stattdessen knapp auf ihre folgenden Fragen. "War ganz nett, aber ziemlich langweilig. Joah. Nein." Der Junge versuchte gelangweilt zu klingen, war aber froh, dass nun endlich jemand hier war. Er hasste es allein zu sein. Timo drehte sich auf dem Sofa, so dass er Luise anschauen konnte. "Ich hätte gern Nudeln." Sagte er schließlich. Ihm war klar, dass seine Schwester nun etwas zu essen machen würde und auch für ihren Bruder mitkochen würde, auch wenn es noch früh war.

Luise fand es süß, wie ihr kleiner Bruder versuchte seine Erleichterung zu überspielen. Sie war froh ihn zu haben, er war sozusagen ihr Fels in der Brandung, der ihr Halt bot. "Ach so, du möchtest Nudeln? Dann kannst du ja schon mal einen Topf mit Wasser aufsetzen." Wie er immer wider versuchte, sich vor der Hausarbeit zu drücken. Doch das Mädchen fand es wichtig, dass Timo unter anderem auch Kochen lernte. Sie ging in die Küche, die nur durch einen Türbogen vom Wohnzimmer getrennt war und suchte nach einer Packung Nudeln die sie machen konnten. Sie wurde fündig und stellte die Tüte auf der Theke ab.

Viel hatte ihr Bruder nicht von sich gegeben, doch vermutlich hatte auch er den restlichen Tag freibekommen, auch wenn das Mädchen nicht wirklich den Sinn dahinter verstand. "Wie lange bist du schon hier?" Immerhin war er auf der selben Schule wie sie, auch wenn sie ihren Bruder nicht in der Aula gesehen hatte. Er ging in eine andere Klassenstufe, dennoch wird er ja wohl die selbe Ansprache gehört haben. Da muss er ziemlich gerannt sein, allerdings hatte Luise sich auch reichlich Zeit auf ihrem Heimweg gelassen.

Schmollend stand Timo schließlich auf. Auch wenn er nie viel machen musste beim Kochen und dann auch nur die einfachen Dinge, so hatte er doch wenig Lust. Aber er hatte Hunger auf, weshalb er aufstand und in die Küche lief. Der Junge holte einen Topf, füllte ihn mit Wasser, machte etwas Salz rein und stellte ihn auf den Herd, welchen er daraufhin anschaltete. So hatte es ihm Luise beigebracht. Er wusste, dass er noch das Geschirr holen musste, das war das, was er immer machte. Dennoch wartete er lieber darauf, dass Luise ihm die Anweisung dazu gab. Diese kümmerte sich um den Rest, während er nur zuschauen musste.

"Ich weiß nicht, vielleicht eine halbe Stunde." Timo schaute durch den Türbogen ins Wohnzimmer, damit er seiner Schwester nicht in die Augen schauen musste. Er war höchstens seit 10 Minuten hier und das obwohl er sich beeilt hatte. Der Junge setzte sich auf einen Stuhl an dem kleinen Esstisch und schaute zu, wie seine Schwester die Nudeln in das mittlerweile kochende Wasser gab. Er bevorzugte so einfaches Essen, wie pure Nudeln, das einfach zu machen war. Glücklicherweise schien Luise ähnlich zu denken. Zumindest machte nie sonderlich komplizierte Gerichte, auch wenn sie eigentlich mehr auf einen ausgewogene Mahlzeit achtete. "Musst du heute noch wo hin?" Das Mädchen schien es etwas eilig zu haben.

Nie im Leben war er schon eine halbe Stunde hier und Luise wusste genau, dass ihr Bruder das nur so sagte, denn er schaute sie nicht an. "Du schwindelst doch." Kicherte sie. So lang ihr Bruder bei keinen wichtigen Sachen log, war so etwas nicht schlimm für sie, zumal sie seine meisten Lügen sowieso recht schnell enttarnen konnte.
Nachdem das Wasser kochte gab das Mädchen die Nudeln dazu und schaute auf die Uhr. In acht Minuten konnten sie essen und dann würde sie sich schlafen legen. Sie würde früher aufstehen und ihre Fähigkeiten mal testen. Vielleicht würde ihr sogar dieser Cooro über den Weg laufen, Er konnte noch so naiv und unschuldig tun, sie wusste genau was er war.

Timos Frage kam überraschend und riss Luise aus ihren Gedanken. "Wie kommst du denn darauf?" Wirkte sie so in Eile? Sie wollte nicht, dass ihr kleiner Bruder von irgendetwas mitbekam, sie wollte ihn schützen so gut es ging. Er hatte genug durchmachen müssen.
Sie hoffte, dass Julia heute früher nach Hause kommen würde. Ein wenig fühlte sie sich schon schlecht ihren Bruder gleich wieder alleine zu lassen, auch wenn sie sich dann noch im Haus befand.

"Pah!" Er war einfach ein schlechter Lügner. Doch das war sicherlich keine Fähigkeit, die man gut zu beherrschen brauchte. "Vielleicht bist du ja auch einfach nur langsam Schwesterherz. Ich wette du und deine Freundinnen habt euch noch ewig über den neusten Tratsch ausgetauscht." Er streckte seiner Schwester die Zunge raus, während diese etwas in Gedanken schien.

Nun spürte er, dass Luise etwas zu verheimlichen schien, oder bildete er sich da nur etwas ein? "Na ja, du wirkst eben so. Außerdem gibt es sonst nie nur Nudeln." Meistens gab es zumindest noch etwas Obst oder Gemüse und manchmal auch ein, zwei Würstchen dazu. Doch heute schien es bei den Nudeln zu bleiben, nicht dass der Junge ein Problem damit hätte, es war nur ungewohnt. "Hast du etwa ein Date?" Ärgerte er das Mädchen weiter und zeichnete mit seinen Fingern ein Herz in die Luft.

Luise kicherte erneut und war froh darüber, dass ihr Bruder zumindest bei ihr so offen und fröhlich war. Sie wusste, dass er sonst zwar auch gerne lachte, aber immer sehr unscheinbar und ruhig war, selbst bei seinen besten Freunden. Das Mädchen ging einfach nicht weiter darauf ein, sondern holte ein Sieb um das Wasser abgießen zu können, da die Nudeln nun fertig waren. Bei dem Geruch der Nudeln begann ihr Magen bereits zu knurren.

Das Mädchen zuckte bei den Worten ihres Bruders innerlich zusammen, er hatte recht. "Ach so ja, was möchtest du denn dazu haben?" Dass ihm so etwas auffiel war schon bemerkenswert, aber irgendwie auch schön. Doch dann ärgerte Timo sie schon wieder. "Anstatt so frech zu sein, könntest du mal anfangen den Tisch zu decken." Sie ließ die Nudeln abtropfen und wartete nur darauf, dass Timo mit den Tellern kam. Er hatte beim Kochen nicht viele Aufgaben, doch die schien er jedes Mal aufs Neue zu vergessen.

Timo schüttelte den Kopf, während er aufstand um zwei Teller und Gabeln zu holen. "Ist schon okay so, ich ess einfach etwas Ketchup dazu." Er ging mit seinem Teller zu Luise und holte sich seine Portion ab und holte sich dann die Ketchupflasche aus dem Kühlschrank. Nachdem seine Schwester die restlichen Nudeln auf ihren Teller getan hatte, setzte sie sich zu Timo an den Tisch. Er fand das gemeinsame Essen immer sehr angenehm, auch wenn nie viel geredet wurde, aber man musste ja auch nicht dauernd reden. Vor allem nicht, wenn man den Mund mit Essen voll hatte.
Das Mittagessen war schnell beendet und der Junge war erst mal satt. Am Abend würde es ohnehin wieder etwas geben. Er half Luise das Geschirr abzuräumen und trocknete das von ihr gespülte Geschirr ab. Zwar hatten sie eine Geschirrspülmaschine, aber bei so wenig Geschirr benutzte Luise diese nicht.

"Ähm, ich schau dann noch etwas fern", begann Timo zu reden, nachdem sie fertig waren. "Und muss noch Sachen für morgen einpacken, und mich um Minka kümmern." Er wollte seiner Schwester nicht irgendwie zur Last fallen. Egal was sie vor hatte, sie sollte sich keine Gedanken um ihn machen, er wusste ja wie fürsorglich sie war. Hoffentlich kaufte sie ihm das ab, was er gesagt hatte. Er ging ins Wohnzimmer, schnappte sich Minka und setzte sich mit ihr auf seinem Schoß wieder vor den Fernseher.

Ein wenig schlecht fühlte sie sich schon, dass sie so vergessen hatte auf das Essen zu achten. Natürlich hatte Timo nichts dagegen, und für einen Tag war diese Ausnahme sicherlich okay, aber sie sollte in Zukunft besser darauf achten. Auch wenn es dem Jungen egal war, so war es doch wichtig, dass er sich nicht total einseitig ernährte, immerhin war er noch im Wachstum.
Sie beendeten die Mahlzeit und spülten das benutzte Geschirr gleich wieder. Immerhin war es nicht viel und Tante Julia sollte sich nicht aufregen, weil sie etwas schmutzig gemacht hatten. Zumindest dabei half ihr Timo ohne mehrere Aufforderungen wodurch sie auch mit dem Spülen relativ schnell fertig waren. Nachdem ihr kleiner Bruder zu reden begann, folgte Luise ihm ins Wohnzimmer. Sie wusste genau was er vor hatte und war ihm dankbar dafür. Auch wenn sich das Mädchen manchmal wünschte, dass er offener mit ihr sprach.

"Dann mach das alles und stell nix an, okay?" Sie stand hinter Timo und hatte ihre Hände auf dem Sofa abgelegt. "Wenn etwas ist, ich bin in meinem Zimmer und versuch nicht allzu laut zu sein." Luise beugte sich vor und gab ihrem Bruder einen Kuss auf den Kopf, ehe sie ins Badezimmer zu gehen, um sich fertig zu machen und schließlich schlafen zu gehen. Ihren Wecker hatte sie auf Mitternacht gestellt, das war eine gute Zeit wie sie fand und auch genug Zeit bis dahin um sich auszuruhen. Für das was sie vorhatte, würde Luise all ihre Energie benötigen, immerhin wollte sie nicht, dass ihr etwas zustieß. Es dauerte eine Weile, bis sie einschlafen konnte, immerhin war der Tag noch jung, doch schließlich gelang es ihr.

"Ja Schwesterherz", sagte Timo und tat so, als würde er dem Kuss seiner Schwester ausweichen wollen, obwohl er sich eigentlich über diese Zuwendung freute. Er war froh, dass ihm zumindest Luise geblieben war. Nachdem sie weg war, strich er seine wuschelige Frisur zurecht und begann dann Minka zu streicheln, während er den Fernseher etwas leiser schaltete. Was das Mädchen wohl machte?
Es dauerte noch ein paar Stunden, bis seine Tante nach Hause kam. Sie war kein wirklicher Ersatz für seine Familie, dennoch mochte er die Frau, auch wenn Luise da wohl anderer Ansicht war. "Timo, wo ist deine Schwester?" Fragte Julia nachdem sie den Jungen begrüßt hatte. "Ich glaube sie schläft." Antwortete Timo. Selbst wenn sie etwas anderes machte, so würde Julia garantiert nicht nach ihr sehen. Seine Antwort schien ihr ohnehin egal zu sein. "Magst du mit mir Abendessen?" Fragte sie stattdessen. Natürlich stimmte er zu uns begann dabei zu helfen, dass Abendessen vorzubereiten. Es gab nur Brot.

Nach dem Essen schaute er noch etwas fern mit seiner Tante und zog sich später zurück auf sein Zimmer. Er las noch etwas und legte sich dann schlafen. Morgen würde er etwas unternehmen, vielleicht mit seinen Freunden. Der Junge wollte nicht wieder den ganzen Tag zu Hause vorm Fernseher rumsitzen, auch wenn es ihn nicht störte. Luise musste doch verstehen, dass er auch mal raus wollte. Früher hatte er unbeschwerter Leben können, aber er wollte sich von so etwas nicht einschränken lassen. Timo spürte, wie Minka zu ihm aufs Bett sprang und beruhigte sich etwas. Schließlich schlief er ein und begann sogleich zu träumen.

Luise wachte auf, noch ehe ihr Wecker klingeln konnte. Sie hatte noch eine gute halbe Stunde, doch jetzt würde sie auch nicht mehr schlafen können. Also schaltete sie ihn aus und machte sich fertig. Sie zog sich bequemere, aber trotzdem schöne Kleidung an, nahm sich ihre Sense und schlich sich schließlich aus dem Haus. Timo wie auch ihre Tante waren längst am schlafen. Sie nutzte die Nächte dazu, zu trainieren. Zum einen wahr es dann am unwahrscheinlichsten, von einem Menschen gesehen zu werden und vielleicht würde ihr sogar mal ein Vampir über den Weg laufen. An einem richtigen Gegner zu trainieren, würde sie vielmehr voran bringen, als immer nur diese Trockenübungen.

Der Sportplatz war bisher ihr favorisierter Ort zum üben gewesen, hatte sie dort doch genug Platz, aber heute wollte sie ihr Glück herausfordern. Bisher war sie nie einem dieser Blutsauger begegnet, also entschloss sie sich, einfach durch die Straßen der Stadt zu laufen. Sie hatte eine halbe Stunde gewonnen. Danach konnte sie immer noch zum Sportplatz gehen und in Ruhe trainieren. Nachdem sie die Wohnungstür geschlossen hatte, machte sie sich in Richtung Schule auf, dort in der Nähe war immerhin auch der Sportplatz. Sie würde nur einen kleinen Umweg gehen. Es war zwar dunkel, doch die Straßenlaternen brannten hier immer, so dass sie genug sah. Ihre Sichel schwingend, kuschelte sie sich enger in ihre Jacke, während sie fast schon gemächlich die Straße entlang ging.

[Luise gt: Napolia Neustadt, Straßen der Neustadt]

Es war bereits mitten in der Nacht, als Timo aufwachte, er musste aufs Klo. Als er auf seinem Rückweg an Luises Zimmer vorbei kam, konnte er nicht anders, als einen kurzen Blick hinein zu werfen. Wir erwartet war seine Schwester nicht da. Das ging schon eine ganze Weile so, dass sie Nachts das Haus verließ, Timo konnte nur vermuten, was sie tat. Allerdings hatte er durchaus die Sense entdeckt, die seine Schwester in ihrem Kleiderschrank versteckte. Er konnte verstehen, warum sie das tat, nach dem was geschehen war, und er fühlte sich tatsächlich etwas wohler mit dem Wissen, dass seine Schwester nicht wehrlos war und ihm im Fall auch beschützen konnte. Trotzdem machte sich der Junge große Sorge, wenn sie Nachts einfach alleine raus ging.

Er wusste nicht, wann Luise zurück kommen würde. Aber nun war er wach, weshalb er sich im Wohnzimmer aufs Sofa setzte, sich in eine Decke rollte und leise Fern schaute, immerhin wollte er nicht, dass seine Tante aufwachte. Nachts liefen nicht unbedingt Sachen, die für einen Jungen in seinem Alter bestimmt waren, aber ohne Ton war das auch nicht mehr so schlimm. Außerdem gesellte sich schließlich noch Minka zu ihm, was Timo ungemein beruhigte. Letztendlich wurde er doch wieder müde und kämpfte nun mit dem Gedanken, ob er wieder ins Bett gehen, oder weiter auf Luise warten sollte.

[Luise cf: Napolia Neustadt, Straßen der Neustadt]

Nachdem Luise an ihrer Wohnung angekommen war, versuchte die möglichst leise dir Haustür zu öffnen und herein zu schleichen. Das letzte, was sie jetzt noch gebrauchen konnte, war dass Julia jetzt noch mitbekommen würde, dass sie weg gewesen war. Aber auch ihren Bruder wollte sie nicht wecken. Sie wollte nicht nur vermeiden, dass er ihre Waffe sah, noch dass er das Blut, auch wenn es nur ein wenig war, daran bemerkte. Sie war froh, dass sie das bisher von Timo hatte fernhalten können, zumindest glaubte sie das. Nachdem sie die Tür genauso leise wieder hinter sich geschlossen hatte, hörte sie leise Geräusche aus dem Wohnzimmer und konnte dort auch Licht sehen. Na großartig. Von hier kam sie nicht unbemerkt in ihr Zimmer, wenn im Wohnzimmer jemand saß.

Vielleicht war ihre Tante ja vor dem Fernseher eingeschlafen? Zumindest klang es so als würde dieser laufen. Sie lehnte ihre Sense gegen die Haustür und begab sich dann ins Wohnzimmer. Wen sie dort vorfand war nicht Julia, sondern Timo. Überrascht schaut sie ihn an. Wieso war er noch wach? Er sollte doch schlafen und nicht nachts irgendwelche komischen Sachen anschauen. "Timo, was machst du hier?", fragte sie leise und versuchte möglichst neutral zu klingen. Hatte er vielleicht bemerkt, dass sie weg gewesen war? Das wäre nicht so gut, was sollte sie ihm dann erzählen? Die Wahrheit? Ach man, heute schien wirklich alles schief zu gehen.

Gerade als Timo sich dazu entschlossen hatte, doch wieder ins Bett zu gehen, hörte er auf einmal Luises Stimme hinter sich, was ihn erschrocken zusammen zucken ließ. Schnell drehte er sich um und hinter ihm stand tatsächlich seine Schwester. Sie war vollkommen in schwarz gekleidet, was irgendwie untypisch für sie war. "Schwester", sagte er etwas zu laut und kurbelte sofort seine Lautstärke runter. "Ich bin aufgewacht und du warst nicht da. Also wollte ich auf dich warten, bis du zurück kommst, ich habe mir Sorgen gemacht", erklärte er leise, wobei er den Fernseher ausschaltete. "Bitte sei mir nicht böse", fügte er noch hinzu. Luise hatte ihm oft genug gesagt, dass er nachts kein Fernsehen schauen sollte. Sie schien zwar nicht böse zu sein, aber er wusste, dass seine Schwester das gut verbergen konnte.

"Wo warst du denn um diese Zeit?", fragte er unschuldig nach. Timo rechnete damit, dass Luise ihm irgendeine Geschichte auftischen würde. Er selbst wusste zwar wirklich nicht, was genau sie tat, oder wohin sie ging, aber da sie eine Waffe besaß, hatte es wohl etwas damit zu tun, und davon wollte sie ihn sicher fernhalten. "Du sagst mir doch immer, nachts ist es gefährlich", fügte er dennoch hinzu. Natürlich interessierte ihn die Wahrheit und es ärgerte ihn, dass sie Sachen machen durfte, die sie ihm gleichzeitig verbot. Das war schon immer so gewesen und immer hatte Luise gemeint, er wäre noch zu jung für dies und jenes, trotzdem war es nicht fair.

Hach, er hatte es also bemerkt und sich Sorgen gemacht, na super. "Ich bin dir nicht böse, zumindest nicht sehr." Sie brauchte Timo jetzt nicht nochmal zu sagen, dass er nachts den Fernseher auslassen sollte, das wusste er selbst ja bestens. Doch nach dieser Entschuldigung kamen auch schon die Vorwürfe, wie sie kleine Brüder, zumindest aber Timo, gerne bei allem möglichen äußerten. Luise überlegte schon, wie sie sich herausreden sollte und wie sie ihrem Bruder das am besten erklären konnte. Schließlich seufzte sie aber einfach nur.

"Nachts ist es auch gefährlich, deswegen sollst du ja auch nicht raus gehen, weil du dich nicht selbst schützen kannst. Aber damit es hier sicher ist, muss eben auch wer draußen aufpassen. Ich bin schon älter und kenne deswegen ein paar Tricks." Luise versuchte so geduldig wie möglichst zu klingen. Sie wusste, dass Timo es hasste, wenn sie auf dieses, 'Du bist noch zu jung' zurück griff, aber es stimmte nun einmal. Hoffentlich würde er dieses mal nicht so einen Aufriss starten, wie das sonst seine Art war, immerhin hätte sie ihn auch einfach anlügen können.

Oh, war das wirklich die Wahrheit, was er da von seiner Schwester hörte? Es könnte stimmen, was Timo allerdings neue Fragen in den Kopf rief. "Ach so, hast du deswegen diese coole Sense in deinem Zimmer?" Plapperte er drauf los, ohne zu merken, dass er sich damit des Schnüffelns überführte. Es war nun mal das Erste, dass ihm in den Sinn kam. Dann aber ärgerte er sich doch, dass er mal wieder zu jung war. "Aber ich will auch aufpassen können. Kannst du mir nicht auch diese Tricks beibringen, Lu? Dann können wir zusammen aufpassen und du musst dir nicht mehr so viele Gedanken machen." In Timos Kopf klang dieser Vorschlag sehr logisch, auch wenn er sich nicht vorstellen konnte, mit einer Waffe umzugehen.

Aber wenn er damit seiner Schwester helfen konnte. Immerhin war sie sicher auch einsam, wenn sie jede Nacht alleine raus musste um was auch immer zu machen. Er würde sogar Nachts aufstehen. Jetzt verstand er immerhin, warum sich Luise manchmal schon so früh schlafen legte. Bestimmt erlebte sie immer spannende Sachen. Das, was ihren Eltern passiert war, und dass sich seine Schwester vermutlich genau damit herum schlug, ignorierte Timo gekonnt und schaute Luise stattdessen mit dem besten Welpenblick, den er hinbekam, an. Er wünschte sich so sehr, dass sie mehr mit ihm unternehmen würde, auch wenn er Minka bekommen hatte. Sie ersetzte ihm nun mal nicht seine Schwester.

Luises Blick verschärfte sich augenblicklich, als ihr Bruder sie ganz schamlos nach ihrer Sense fragte. Er schien nicht einmal ein schlechtes Gewissen dabei zu haben, obwohl er mit diesen Worten deutlich machte, dass er in ihrem Zimmer herumgeschnüffelt hatte. Trotzdem konnte sie nicht wirklich böse mit Timo sein, was nicht nur daran lag, dass er sich nun ärgerte, dass er immer nur zu Hause herumsitzen musste. Auch wenn es sich nicht gehörte das Eigentum anderer ungefragt zu durchsuchen, so kannte sie ihren Bruder doch gut genug, um zu wissen, dass dies durchaus etwas war, was er tat. Vor allem, wenn ihm langweilig war, weil niemand mit ihm spielen wollte. Zum Teil gab sich Luise die Schuld daran, da sich sich nicht genug mit ihrem Bruder beschäftigte. Es war definitiv an der Zeit, dass er neue Freunde fand. Doch erst einmal musste sie ihn zurechtweisen, wobei sie versuchte möglichst leise zu sprechen. "Tim, was fällt dir ein, meine Sachen zu durchsuchen? Wer so wenig Disziplin hat ist noch nicht bereit dazu, irgendwelche Tricks zu lernen. Da würde ich mir nur noch mehr Gedanken machen, wenn du dabei wärst." Sie wollte nicht gemein klingen, doch so würde der Junge noch am besten verstehen, dass das, was er getan hatte, nicht richtig gewesen war. Außerdem kam es ihr ganz gelegen, so einen Grund zu haben, warum sie ihm nichts beibringen konnte. Ihr war klar, dass Timo das Gelernte dann auch sofort in die Tat umsetzen wollen würde, was viel zu Riskant war. Selbst sie konnte ja nicht einmal einen Vampir besiegen, wie sollte er es dann können?

War es Timo in seinem Ärger eben noch egal gewesen, wie Luise auf sein unbeabsichtigtes Geständnis reagieren würde, so bereute es der Junge im nächsten Augenblick schon wieder, dass er nicht seine Klappe hatte halten können. Natürlich wurde seine Schwester böse, wie konnte er es ihr auch verübeln? Trotzdem ärgerte sich Timo über ihre Worte. "Das ist gemein! Wieso darf ich nie etwas? Was hat es mit Disziplin zu tun, wenn mir langweilig ist? Was soll ich sonst den ganzen Tag machen, wenn ich auch kein Fern schauen darf?" Ihm war klar, dass ihn diese Worte nicht weiterbringen würden, ganz im Gegenteil. Doch der Junge musste seinem Ärger einfach Luft machen. Die Tatsache, dass es mitten in der Nacht war und ihre Tante nur einen Raum weiter schlief, hatte er längst vergessen. Eigentlich wollte er gar nicht mit seiner Schwester streiten, doch sie musste auch mal merken, wie er sich bei all dem fühlte. Er wollte auch etwas Spaß haben und Sachen mit ihr unternehmen, anstatt nur den ganzen Tag zu Hause zu sitzen. Bei dem Gedanken biss sich der Schwarzhaarige auf die Lippen. Seit diesem Zwischenfall war alles anders. Nicht zum ersten Mal wünschte sich der Junge, dass alles wieder so war wie früher.

Timo reagierte nicht nur uneinsichtig, sondern auch noch trotzig, wobei er ziemlich laut wurde. Sofort zuckte Luise zusammen und drückte ihm eine Hand auf den Mund. "Bist du wahnsinnig? Willst du etwa, dass Julia aufwacht und wir beide Ärger bekommen?" Sie jedenfalls hatte definitiv keine Lust darauf. Zumal die Wahrscheinlichkeit groß war, dass ihre Tante dann auch die Sense, die noch immer an der Wohnungstür stand, entdecken würde. Und auch wenn das Mädchen nicht allzu viel auf Julias Meinung gab, wenn diese es ihr verbieten würde, dann hatte Luise eine schwere Zeit, so weitermachen zu können, wie bisher. Ihre Tante war eine Erwachsene und sie nur ein 14 jähriges Mädchen. Bei dem Gedanken musste sie kurz in sich hinein schmunzeln. Da hatte sie den Vampir vorhin vermutlich besser gehandelt, als sie es mit ihr könnte. Doch am besten stellte sie sich gar nicht erst den Ärger vor, den sie in diesem Fall bekommen könnte. Stattdessen lauschte sie angestrengt in Richtung des Schlafzimmers der Frau und seufzte schließlich erleichtert. Nicht der leiseste Mucks war zu hören gewesen, weswegen sie sich ihrem Bruder, dem sie nach wie vor den Mund zu hielt, zuwandte. "Wenn Julia mich erwischt, dann kann ich uns nicht nur nicht mehr schützen, sondern dir auch niemals irgendwelche Tricks beibringen. Das bleibt also unser Geheimnis, okay Tim?" Dabei schaute sie ihrem Bruder geradezu hypnotisierend in die Augen.

Timo zuckte etwas zusammen, als seine Schwester ihn auf einmal anzischte und ihm dabei den Mund zu hielt. Und so sehr er sich gerade auch ärgerte, so verfiel er augenblicklich in eine Starre und wagte es nicht, sich auch nur einen Millimeter zu rühren. Auch wenn er vermutlich nicht so viel Ärger wie Luise bekommen würde, so wollte er doch nicht dafür verantwortlich sein, Julia geweckt zu haben. Wenn es um ihren Schlaf ging, dann war die Frau alles andere als gnädig. Als sich seine Schwester wieder etwas entspannte, wagte es auch Timo, wieder zu atmen, ehe er auf Luises Frage ihre Hand von seinem Mund schob. "Okay, versprochen. Ich werd ihr sicher nichts sagen. Aber wann willst du mir denn etwas beibringen?" Immerhin hatte sie sich gerade darauf bezogen. Vielleicht konnte er ihr so irgendwie eine Zusage entlocken. Denn ihm war klar, dass sie sich dann auch an ihr Versprechen halten würde. Mit ihren bisherigen, schwammigen Antworten, hatte er aber nichts gegen sie in der Hand. Vermutlich hätte sich Timo auch genauso über jede andere, auch harmlosere Tätigkeit mit seiner Schwester gefreut. Da sie aber so ein Geheimnis darum machte und wie bei vielem darauf beruhte, dass er zu jung dazu war, reizte ihn gerade das nun besonders.

Na toll. Nun hatte sich Luise verplappert. Ihr Bruder war aber auch unglaublich aufmerksam. Einen Augenblick überlegte sie, wie sie ihm antworten sollte, so dass er erst einmal beschwichtigt war. "Du solltest schon mindestens ein Teenager sein." Luise war klar, dass sie sich damit auf einen festen Termin festlegte, auch wenn dieser noch etwas hin war. Andererseits hatte sie bis dahin Zeit, sich was entsprechendes zu überlegen, wodurch sich ihr Bruder nicht in Gefahr bringen, beziehungsweise sich vielleicht sogar noch mit schützen könnte. Im besten Fall hatte es Timo bis dahin aber wieder vergessen, weil er in der Zwischenzeit neue Freunde an der Schule gefunden und genug mit diesen zu tun hatte. Auch wenn sie ihn eben so plötzlich abgewürgt hatte, so geisterten die Worte ihres Bruders nun doch durch ihren Kopf. Dachte er wirklich so von ihr? Dass sie ihm alles verbot, woran er Spaß hatte? Dass sie sich zu wenig mit ihm beschäftigte? Luise fühlte sich schlecht und entschied sich dazu, ihrem Bruder bei der Suche nach neuen Freunden etwas unter die Arme zu greifen. Sofern er das überhaupt zulassen würde. Vielleicht war dieser erste Schultag auch einfach etwas zu viel für ihn gewesen und er würde sich schnell wieder von selbst beruhigen. Immerhin hatte sie ihren Bruder bisher, trotz seiner eigentlich ruhigen Art, doch so eingeschätzt, dass er gerne unter Gleichaltrigen war.

Luise hatte tatsächlich eine konkrete Zeitangabe gemacht. Dennoch hielt sich Timos Freude in Grenzen. Ganz im Gegenteil setzte er sogar seinen Schmollmund auf. "Aber das ist ja noch ein ganzes halbes Jahr." Da der Junge möglichst schnell erwachsen werden wollte, hatte er seinen Geburtstag immer genau vor Augen, auch wenn es dadurch nur noch länger zu dauern schien. Gerade ärgerte er sich aber wirklich darüber, dass es noch so lange dauerte, bis er 13 Jahre werden würde. Andererseits hatte seine Schwester ihm gerade versprochen, weshalb er sich darauf verlassen konnte, dass sie sich dann auch daran halten würde. Vermutlich war das schon mehr, als er hätte erwarten können, auch wenn es noch eine Weile hin war. "Aber gut. Bis dahin werd ich dir beweisen, dass ich voller Disziplin und mehr als bereit bin, alles von dir zu lernen." Voller Entschlossenheit schaute er Luise an, während er sich fest vornahm, sich ab jetzt an alle Regeln zu halten und ein vorbildlicher kleiner Bruder zu sein. Vielleicht würde sie es sich ja dann sogar noch einmal überlegen und ihm doch schon früher etwas beibringen. Mit einem Mal breitete sich doch ein breites Lächeln auf seinen Lippen aus. Nun konnte er sich noch mehr auf seinen Geburtstag freuen und die Tatsache, dass Luise ihn in ihre Geheimnisse einweihen würde.

Es war beinahe beängstigend, wie sehr sich Timo auf einmal freute, während Luise darüber nachdachte, ob sie vielleicht einen Fehler begannen hatte. Er schien wirklich fest entschlossen, etwas von ihr zu lernen. Also musste sie sich wohl wirklich Gedanken darum machen, welche Tricks sie ihm beibringen konnte, die harmlos genug waren, aber gleichzeitig so beeindruckend, dass Timo nicht enttäuscht sein würde. Sie war sich sicher, dass er, wenn er bis zu seinem Geburtstag daran festhielt, ihr Versprechen auch einfordern und sich nicht mit weniger zufrieden geben würde. Innerlich seufzte Luise in sich hinein. Gerade war sie wirklich nicht in der geeigneten Verfassung, über so etwas mit dem Jungen zu diskutieren. Nun war es aber geschehen und nicht mehr rückgängig zu machen. Sie konnte sich morgen Gedanken darüber machen, wenn sie etwas geschlafen hatte. "Dann können wir jetzt ja schlafen gehen. Ich bin wirklich müde und du solltest auch schon längst im Bett sein", forderte sie ihren Bruder vorwurfsvoll auf. "Du kennst Tante Julia. Sie wird keine Rücksicht auf dich nehmen, wenn du morgen früh noch schlafen willst." Das selbe galt natürlich auch für sie selbst, wobei sie mit Timo generell milder umging. Luise hatte sich aber längst daran gewöhnt, dass ihre Ablehnung wohl auf Gegenseitigkeit beruhte.