Straßen der Neustadt

das Eingangsposting lautete :

Auf diesen Straßen herrscht Tagsüber sehr viel Betrieb, der Nachts jedoch ziemlich ab nimmt.

Mit einem kräftigen Schlag versuchte Luise den Vampir noch einmal zu treffen, vor allem wollte sie aber wieder eine gewisse Distanz zwischen sie bringen. Was war passiert? Sie war sich so sicher gewesen, dass er angreifen würde, doch dann hatte er einfach gestoppt. Hatte er sie womöglich doch durchschaut? "Was ist los? Hast du Angst?" Nun war das Mädchen wirklich wütend. Wollte er nun mit ihr spielen oder was? Eigentlich wäre dies die perfekte Gelegenheit für ein ausgiebiges Training, wenn es nicht darauf hinaus laufen würde, dass sie getötet werden. Und indem er sie erschöpfte würde dies wohl oder übel darauf hinauslaufen, egal wie gut sie kämpfte. Diese Vampire waren einfach nur feige.

Erneut nahm Luise Stellung auf, sie würde das hier jetzt schnell beenden, der Kerl konnte ja nicht immer ausweichen. Sie packte ihre Sense mit beiden Händen und sprang wieder auf ihren Gegner zu. Mit einer schnellen Vorwärtsbewegung täuschte sie einen Angriff mit der Klinge an, während sie in letzter Sekunde ihre Waffe drehte, um mit der kleinen Klinge am Ende des Stiels auf die ungedeckte Seite des Vampirs zu zielen. Vermutlich würde sie ihn nicht tödlich verletzten, aber jetzt noch auszuweichen würde kaum möglich sein. Seit sie wieder am kämpfen waren, war seine Wunde kaum weiter geheilt. Vielleicht musste sie ihm einfach nur genügend blutige Wunden zufügen, um ihn genug zu schwächen.

Es überraschte Gabriel, dass Nicolae so offen um seine Hilfe bat. Wie lange er sich hier wohl schon abmühte? Immerhin hatte er auch eine Verletzung davongetragen, vermutlich war dieses Mädchen nicht zu unterschätzen. //Weißt du, ich bevorzuge einfachere Opfer, die mehr Blut in sich tragen.// Kinder vermied der Weißhaarige tatsächlich, wenn es möglich war, bei ihnen musste man viel vorsichtiger sein. Dass Nicolae sich darum keine Gedanken machte, konnte er sich ja denken. Aber gerade wenn man doch schon geschwächt war und Blut brauchte suchte man sich doch keine Beute aus, die eine Waffe mit sich herum trug und diese auch einsetzen konnte. Vielleicht war er auch einfach zu vorsichtig was das anging.

Allerdings schien sich das Mädchen gerade ihrer Wut hinzugeben. Gabriel war davon ausgegangen, dass sie nun einen blinden Angriff starten würde, doch das, was sie da tat war nicht nur sehr geplant, sondern auch ziemlich klug. Und Anlass dazu, dass er sich doch nun einmischte. Nicolae hatte diesen Kampf vielleicht gestartet und ihm demnach auch zu bestreiten, doch er würde nicht zulassen, dass der Schwarzhaarige größeren Schaden davon tragen würde. Ob er damit nun an dessen Würde kratzen würde oder nicht. "Schluss jetzt!" Er trat aus seinem Versteck hervor, bereit ebenfalls das Mädchen anzugreifen, aber noch in etwas Distanz wartend.

Langsam ging dieses Mädel Nicolae wirklich auf die Nerven. Es wäre wohl besser gewesen, wirklich nicht anzugreifen. Ob er einfach einen Rückzieher machen sollte? Gabriel machte sich vermutlich eh schon lustig über ihn, weil er nicht mal gegen ein so einfaches Kind ankam. Er war verdammte 100 Jahre alt und hatte schon unzählige Schlachten geschlagen. Verärgert wich er der nächsten Attacke aus, erkannte die Absicht des Mädchens früh genug, so dass er zwar nicht mehr ausweichen, aber noch seine Hand mit den metallenen Fingerkrallen zwischen die kleine Klinge und seinen Körper bringen konnte. Diese Gelegenheit nutzte er, den Stiel der Sense festzuhalten, so dass das Mädchen nicht mehr weg konnte. Seine Augen fixierten sie, sie hatten wirklich genug gespielt.

Doch ehe Nicolae etwas sagen oder machen konnte, mischte sie Gabriel ein. Der hatte wohl wirklich gedacht, dass sie ihn erwischen würde. Was kümmerte ihn das, dass er hier so einen albernen Auftritt hinlegte? Dennoch stoppte auch der Schwarzhaarige in seinem Vorhaben, nun seine verdiente Belohnung einzufordern. Grimmig schaute er zu Gabriel. Wollte er ihm seine Beute stehlen? Verdient hätte er es ja, irgendwie. Doch das schien es nicht zu sein, was der Weißhaarige vorhatte. Nicolae sagte nichts, hielt aber weiter die Waffe des Mädchens fest. Ihn würde es nicht wundern, wenn sie gleich eine weitere Attacke starten würde, vielleicht war sie bei gleich zwei Vampiren aber doch nicht mehr so mutig.

Der Vampir wich tatsächlich Luises Attacke aus, so dass sie nun problemlos auf dessen ungeschützte Seite zielen konnte. Doch ihr Schlag traf nicht das geplante Ziel, sondern nur die Krallen dieser Bestie. Er hatte ihren Angriff abgewehrt? Überrascht wollte sich das Mädchen zurück ziehen, doch der Mann hielt ihre Sense fest, sie konnte nicht weg. Er schien jedoch zu zögern, starrte sie nur an. Sollte sie einen Angriff mit ihrem Dolch versuchen? Oder ihre Sense loslassen und sich zurückziehen? Aber dann wäre sie ungeschützt. Ihre Gedanken wurden je unterbrochen, als sich ein weiterer Mann einmischte. War er auch ein Vampir? Luise musterte ihn kurz, er trug nicht nur auffallend feine Kleidung, sondern hatte auch ungewöhnlich weißes Haar. Wie lang war er schon hier?

Aber anscheinend schien ihr Gegner aufgrund seines Erscheinens inne zu halten. Ob das nun gut war oder nicht, darüber konnte sich Luise nun keine Gedanken machen. Es verschaffte ihr auf jeden Fall etwas Zeit und die musste sie nutzen um eine Lösung für ihr Problem zu finden. Sie bezweifelte, das der Neuankömmling auf ihrer Seite stand und ihr helfen wollte. Und selbst wenn, sie würde sich sicherlich nicht auf einen Fremden verlassen. Ihr Gegner war zwar stark, aber er hatte keine Waffe, sie musste es einfach riskieren. In einer schnellen Bewegung zog das Mädchen den Dolch an ihrer Hüfte und zielte auf die Hand, die ihre Sense festhielt. Sie musste ihre Waffe um jeden Preis zurück bekommen.

Nun, vielleicht hatte er Nicolae doch etwas unterschätzt, er hatte den Angriff problemlos abgewehrt und das Mädchen handlungsunfähig gemacht. Nun wusste er nicht so recht, was er noch sagen sollte. Wenn Nicolae meinte, dass er diese Beute brauchte, dann sollte er sie seinetwegen haben. Natürlich könnte Gabriel sie auch für sich beanspruchen, genug Blut wäre es aber wohl nicht, wenn er das Mädchen nicht umbringen wollte. Diese Situation war dem Weißhaarigen schon etwas unangenehm. Er handelte doch sonst nicht so Impulsiv. Statt zu antworten erwiderte er also einfach Nicolaes Blick und übermittelte ihm ein paar beruhigende Empfindungen. Der Schwarzhaarige schien wirklich genervt von seinem Einmischen.

Das Mädchen nutzte diese kurze Unterbrechung allerdings sofort, um einen Befreiungsversuch zu starten. Nun fühlte sich Gabriel wirklich schlecht. Anstatt zu helfen, hatte er Nicolae jetzt auch noch bei seinem Kampf gestört und ihm einen Nachteil verschafft. Er konnte sich jetzt schon vorstellen, dass er sich dafür gleich noch etwas anhören durfte und dass er nun vollends bei ihm unten durch war. Wenn er wirklich vorgehabt hatte, Gabriel eine Chance zu geben, dann hatte er diese hiermit wohl vertan. Ach ja, vielleicht sollte er Nicolae wirklich ziehen lassen.

Das war ja ganz große Klasse, auf Gabriels Entschuldigungen konnte Nicolae wirklich verzichten. Wenn er nichts zu sagen hatte, warum mischte er sich dann überhaupt ein? Verärgert löste er den Blick um sich wieder voll und ganz auf das Mädchen vor sich zu konzentrieren. Er sollte sie jetzt einfach erledigen, danach konnte er sich immer noch mit Gabriel herumschlagen. Doch dieses Vorhaben musste er aufgeben, als sie einen erneuten Angriff mit ihrer zweiten Waffe startete, er hatte ja damit gerechnet. Sie wollte wohl einfach nicht aufgeben. Da er sich keine weitere Verletzung einhandeln wollte, ließ Nicolae die Sense bereitwillig los. Anstatt sich aber das Mädchen zu schnappen, was er in dieser Situation mit Leichtigkeit hätte machen können, wich er einen Schritt zurück und musterte sie kurz. Ihm war nun endgültig die Lust vergangen.

"Verschwinde", zischte er fast schon etwas widerwillig. Er bereute seine Entscheidung fast sofort, vielleicht hätte er sie sich doch schnappen sollen? Wäre sie nicht so gut im Umgang mit ihrer Waffe gewesen, hätte er es wirklich bereut, aber so konnte er die Schuld noch auf Gabriel schieben. Etwas Bewunderung hatte er schon für das Mädchen über, auch wenn es ihn gleichzeitig erschrak, wozu Menschen in der Lage waren, wenn sie wussten womit sie es zu tun hatten. Nie hatte er einen Menschen, vor allem keinen so jungen, so effektiv gegen einen Vampir kämpfen gesehen. Er ließ das Mädchen nicht aus den Augen. Würde sie jetzt gehen, dann war dem eben so, würde sie aber erneut angreifen, dann würde er kein zweites Mal zögern.

Tatsächlich ließ der Vampir Luises Sense los und wich zu ihrer Überraschung sofort zurück. Sie war sich mehr als nur sicher, dass er sie in diesem Augenblick hätte angreifen können. Sie war vollkommen ungeschützt gewesen und hätte zu lange gebraucht um mit ihrer Sense dazwischen zu gehen. Noch verblüffter war sie, als er wollte, dass sie ging. War das eine Falle? Es musste definitiv etwas mit dem Neuankömmling zu tun haben. Eigentlich hätte sie auf so eine Anweisung nicht gehört, schon gar nicht von einem Vampiren, immerhin gab sie alles, diese zu vernichten. Aber er würde es sicher noch einmal schaffen, sie festzusetzen, und wenn der andere auch ein Vampir war, dann hatte sie wirklich keine Chance. Sie dachte eine ganze Weile nach, in der sie ihren Gegner und auch den anderen im Blick behielt, aber nichts geschah.

Letztendlich steckte sie ihren Dolch weg und zog sich zurück. Vermutlich war es das beste, was sie in diesem Augenblick tun konnte, auch wenn alles in ihr dagegen protestierte. Sie versuchte nicht allzu schnell zu gehen, als würde sie wegrennen, doch es war auch sehr unangenehm einen solchen Feind im Rücken zu haben. Aber scheinbar scheinbar schienen sie Luise wirklich gehen zu lassen. Bis sie in die nächste Straße bog, blieb sie angespannt und schaute auch das ein oder andere Mal zurück. Das war wirklich schräg gewesen. Sie entschloss sich, das Training für heute sein zu lassen und lieber noch etwas zu schlafen. Sie musste wirklich ein paar Leute finden, die ihr beistanden. Sie wusste, dass es noch mehr Rebellen gab, sie wusste nur nicht, wie man an diese herankam.

[Luise gt: Neustadt, Luises und Timos Haus]

Nicolae konnte nicht nur eine weitere Verletzung vermeiden, sondern wich, zu Gabriels Überraschung, auch noch zurück und forderte das Mädchen auf zu gehen. Gabriel war sich nicht sicher, ob er sie nicht doch noch hätte erwischen können, aber anscheinend schien er keine Lust mehr zu haben. Der Weißhaarige wurde nicht das Gefühl los, dass das auch sein Verschulden war. Nachdem das Mädchen letztendlich in die nächstbeste Seitenstraße verschwunden war, sah sich Gabriel etwas unwohl um, er wusste nicht so recht, wie er anfangen sollte, ohne Nicolae noch mehr zu verärgern.

"Du lässt sie gehen?", fragte er schließlich einfach, da Nicolae auch keinen Anfang machen zu wollen schien. Die Frage zielte weniger auf das Offensichtlich ab, sondern eher auf das Warum. Er selbst würde sich nie lange mit einer Beute aufhalten, die sich derartig wehrte, vor allem nicht wenn er hungrig war. Aber Nicolae hatte er durchaus anders eingeschätzt. Zumal er sie ja bereits ziemlich in die Ecke gezwängt hatte. Während Gabriel sich auf das Kommende vorzubereiten versuchte, richtete er seine blauen Augen wieder auf Nicolae. Mit einem Kampf rechnete er kaum.

Es war fast etwas schade, dass das Mädchen tatsächlich ging, aber er ließ es zu und griff sie nicht noch mal hinterhältig an. Nachdem sie verschwunden war, stand er einfach nur da und wartete auf das, was Gabriel zu sagen hatte. Zeitgleich überlegte er auch noch, ob er nicht einfach gehen sollte. Immerhin waren sie nun ja wohl quitt. Aber er musste feststellen, dass er sich mittlerweile wirklich etwas mit dem Gedanken angefreundet hatte, erst einmal hier zu bleiben, zumindest so lange, bis der Weißhaarige wirklich Mist baute. Dass er sich jemals auf so etwa einlassen würde, hätte Nicolae nicht gedacht.

"Ich will nicht noch mal unterbrochen werden und am Ende ernsthaft verletzt werden." Nicht, dass ihr das gelungen wäre. Zwar klang diese Antwort sehr vorwurfsvoll, doch wirklich böse war er Gabriel nicht. Es war eher lästig, hatte er doch eine Beute direkt vor der Nase gehabt. In dem Punkt konnte er den anderen auch nicht verstehen, er musste doch genauso hungrig sein, wie konnte er da so eine Chance verstreichen lassen? "Stehst du irgendwie auf Kinder?" Die Frage stellte Nicolae eher beiläufig, während er sich wieder auf seine Wundheilung konzentrierte. Gabriel hatte ja auch vorhin schon dem anderen Mädchen geholfen, obwohl die wirklich eine leichte Beute gewesen wäre. Daran hätte auch dieser geschwätzige Bursche nichts geändert.

Es überraschte Gabriel schon etwas, dass Nicolae verhältnismäßig so ruhig blieb. Konnte es wirklich sein, dass er ihm nicht böse war? Oder war er gerade einfach mehr mit seiner Wundheilung beschäftigt und würde ihn danach noch anfahren? "Ich habe es schon einmal gesagt, sie haben mir zu wenig Blut. Und in diesem Fall war sie auch noch viel zu wehrhaft", wiederholte er sich. Wenig Blut konnte man ja durchaus mit einer größeren Menge ausgleichen. Üblicherweise waren Kinder einfacher zu überrumpeln als Erwachsene. Doch in diesem Fall war das nicht gegeben gewesen. Gabriel schaute dem Schwarzhaarigen dabei zu, wie er nun endlich seine Wunde heilen konnte, was erstaunlicherweise verdammt schnell von statten ging. Ob das wohl an seinem Alter lag? Langsam trat er einige Schritte auf Nicolae zu, wobei er dessen Arm nicht aus den Augen ließ. Als er nur wenige Schritte vor ihm wieder stehen blieb, war von der Wunde bereits nichts mehr zu sehen. "Wie war es dazu gekommen?", fragte er schließlich nach, wobei er zu der Stelle nickte, an der nur noch das Blut verriet, dass es eine Wunde gegeben hatte. Ob der andere es ihm auch verraten würde, war eine andere Sache, doch eigentlich schätzte er Nicolae, nachdem er ihn eben kämpfen gesehen hatte, doch nicht so ein, als würde er sich so einfach verletzten lassen. Andererseits konnte er sich auch nicht vorstellen, dass es Absicht gewesen war, oder hatte er sich einen Vorteil dadurch erhofft? Gabriel hob seinen Blick, um Nicolae direkt anschauen zu können. Ein bisschen neugierig war er ja schon.

Gabriels Erklärung klang in seinen Ohren viel mehr wie eine billige Ausrede, jedoch ging Nicolae nicht weiter darauf ein. Was sollte er auch groß dazu sagen? Das Kind war nun weg und dann würde er eben Ausschau nach einem Erwachsenen halten. Der andere hatte aber auch Ansprüche. Oder sollte er überhaupt nach neuer Beute suchen? Immerhin waren sie mit dieser Aktion jetzt ja wohl mehr als Quitt. Er hatte Gabriel um dessen Beute beraubt und nun hatte dieser es genauso bei ihm getan. Ob Gabriel das wohl so annehmen würde? In seinen Augen schienen Kinder auch nur als halbe Beute zu gelten.Nachdem er die Blutung an seinem Arm nun endlich gestoppt und die Wunde soweit geschlossen hatte, dass sie nicht mehr schmerzte, ging es Nicolae gleich deutlich besser. Aber natürlich musste Gabriel in dieser Angelegenheit noch einmal nachfragen. Es war ja nicht so, als hätte Nicolae sich eben nicht schon genügend blamiert. Eigentlich hätte er auf solch eine Frage wohl eher ein patzige Antwort gegeben. Da er für diese Wunde aber eine gute Erklärung hatte, war er dieses Mal sogar so nett, dem anderen zu antworten. In gewisser Weise musste er sich nun einmal mit ihm abgeben. "Ich wollte lediglich testen, ob ihre Waffe mir gefährlich werden kann. Sonst hätte ich mich mit Sicherheit nicht auf diesen Kampf eingelassen." Den er letztendlich doch gewonnen hätte, hätte sich Gabriel nicht eingemischt. Erst nach seiner Antwort fiel Nicolae auf, dass er sich nun genauso lächerlich machen konnte, wenn es diese speziellen Waffen gar nicht gab und er nur einem Irrglauben anheimgefallen war. Mit seinen gelben Augen fixierte er die seines Gegenüber. Aber was sollte Gabriel schon mehr wissen, als er selbst?

Aus Absicht? Gabriel wusste nicht so recht, ob er das dem anderen glauben sollte. Allerdings machte seine Aussage schon Sinn. Mit diesen Spezialwaffen war nicht zu spaßen. Aber wenn Nicolae davon wusste, warum gab er sich dann überhaupt in die Gefahr, eine Waffe derartig zu testen, anstatt einfach einen großen Bogen um Menschen mit Waffen zu machen? Vermutlich war er aber einfach so sicher im Kampf, dass er davon ausgegangen war, dass er nicht ernsthaft getroffen wurde. Und die Tatsache, dass sich die Wunde an einer unempfindlichen Stelle wie dem Oberarm befunden hatte und nicht wirklich tief gewesen war, deutete doch darauf hin, dass der Mann die Wahrheit sprach. //Bist du schon einmal einer solchen Waffe begegnet?// Wenn Nicolae schon den Blickkontakt zu ihm suchte, dann wollte er sich auch der Telepathie bedienen. Er hatte sowieso das Gefühl, als wäre diese Art der Kommunikation dem anderen lieber. Er selbst hatte nur von solchen Waffen gehört und da er sich auch nicht mit Menschen anlegte, war ihm dieses Vergnügen bisher erspart geblieben. Wenn Gabriel jedoch so gezielt eine Waffe testete und sich beim Anblick dieser nicht einfach zurück zog, dann hatte er vielleicht schon mehr Erfahrungen gesammelt, von der Gabriel nun möglicherweise auch profitieren konnte.

Dafür, dass Gabriel nun schon des öfteren von sich behauptet hatte, dass er eine eher ruhige Persönlichkeit war, war er doch verdammt neugierig. Allerdings wusste Nicolae auch nicht, ob es ihm lieber wäre, wenn sie sich die ganze Zeit über nur anschweigen würden. Er selbst würde mit Sicherheit nicht zu einem Gespräch beitragen. Umso froher war er darüber, dass Gabriel es ihm zumindest einfacher machte und er sich nicht noch mit unnötigen Wörtern abmühen musste. //Ich habe nur von ihnen gehört. Aber ich dachte es wäre klüger, auf Nummer sicher zu gehen.// So wie Gabriel gefragt hatte, hatte er selbst genauso wenig Erfahrungen sammeln können, wie er selbst, so dass er sich die entsprechende Gegenfrage sparte. Stattdessen fragte sich Nicolae weiterhin, ob es diese Waffen wirklich gab oder sie sich nur ausgedacht wurden, um die Vampire etwas in Schach zu halten. Zumindest diejenigen, die genügend Angst hatten. Nicolae würde sich erst eine Meinung dazu machen, wenn er eine dieser Waffen am eigenen Leib erfahren hatte. Bis dahin war jeder Mensch für ihn eine Beute, egal ob mit oder ohne Waffe. //Wie auch immer, soll ich dir noch eine zweite Beute fangen?// Mit Absicht hatte er seine Frage so gestellt, immerhin zählte er das Mädchen als Beute. War es sein Problem, dass Gabriel sie hatte entkommen lassen? Und trotzdem fühlte er sich verantwortlich dafür, dass der andere auch noch an sein Blut kam. Was für ein Mist.

Also wusste Nicolae auch nichts genaueres, wäre ja auch zu schön gewesen. Die Art und Weise, wie der Schwarzhaarige aber die nächste Frage stellte, ließ Gabriel innerlich schmunzeln. Er selbst sah das Mädchen nicht als Beute, immerhin hatte Nicolae zugestimmt, dass sie gemeinsam jagen würden. Und alleine die Tatsache, dass er diese Frage stellte, ließ Gabriel es darauf ankommen. Wenn es sich damit in Nicolaes Augen erledigt hätte, wäre er nun vermutlich einfach abgezogen, wie er es heute Mittag schon getan hatte. Innerlich freute sich Gabriel darüber, dass er nun tatsächlich gemeinsam mit jemandem auf die Jagd gehen würde. Ob das aber wirklich so angenehm werden würde, immerhin war es immer noch Gabriel, würde sich wohl gleich erst zeigen. //Natürlich. Oder bist du etwa zufrieden mit deiner Leistung?// Es war nicht einmal so provokant gemeint, wie es vermutlich rüber kam. Obwohl ihm noch so einiges in den Sinn gekommen wäre, äußerte sich der Weißhaarige nicht weiter dazu und unterbrach stattdessen den Blickkontakt, um besser auf seine Umgebung lauschen zu können. Für ihn war die Sache damit klar und er begann nach einer entsprechenden Beute zu suchen. Auch wenn es wie immer des Nachts nicht nur ungewohnt Still in den Straßen war, sondern auch keinerlei ungewöhnliche Gerüche zu vernehmen waren. Er wunderte sich nicht zum ersten Mal, wie er so lange in dieser Stadt hatte überleben können und wie es generell so vielen Vampiren, die es hier nun mal gab, möglich war. Manchmal wurde er das Gefühl nicht los, dass ihm eine wichtige Information entgangen war, immerhin zweifelte er stark, dass die alle von diesen widerlichen Tabletten lebten.

Nicolae gab nur ein leises Knurren von sich. Vermutlich war er mit seinem Verhalten am Anfang aber selbst schuld, dass Gabriel nun in einem entsprechenden Tonfall mit ihm umging. Eigentlich etwas, womit er bestens umgehen konnte, bei diesem Mann aber störte es ihn warum auch immer gewaltig. "Pff, als ob das meine Entscheidung wäre." Eigentlich war es das sogar, immerhin hatte er sich überreden lassen. Aber das hatte auch nur funktioniert, weil er es eben richtig machen wollte. Kurz strich Nicolae durch seine Haare, in der Hoffnung, so auch seine Gedanken etwas sortieren zu können. "Ich muss mich nicht beweisen vor dir, aber du bist deutlich jünger als ich. Du hast weniger Jagderfahrung und wirst somit größere Probleme haben, an Beute zu kommen. Ich möchte nur, dass wir wieder gleich stehen." Ihm war klar, dass seine Worte sehr hoch gegriffen waren, und dass es gerade in der jetzigen Zeit nicht mehr unbedingt auf das Alter und die damit verbundene Jagderfahrung ankam. Immerhin kannte er sich selbst noch nicht mit der ganzen Technik aus, die es mittlerweile gab und die ihm gefährlich werden, zumindest aber seine Jagd vereiteln konnte. Da gab es mit Sicherheit erfahrenere Vampire, die auch deutlich jünger als er selbst waren. Seine Ansichten waren also eventuell etwas veraltet, doch das war Nicolae gerade herzlich egal. Er hasste es, sich rechtfertigen zu müssen, doch er konnte auch nicht einfach so den wahren Grund nennen, warum er sich dennoch die Mühe machte, mit Gabriel auf die Jagd zu gehen, um sich zu revanchieren. Immerhin wusste er selbst es nicht und das machte den Schwarzhaarigen wahnsinnig.

Nicolaes Ansicht sollte Gabriel recht sein. Er würde deswegen mit Gewissheit keine Diskussion anfangen, auch wenn der andere nicht sonderlich überzeugt von seinen eigenen Worten wirkte. Gabriels kühler Blick ruhte einen Augenblick auf dem Mann, ehe er doch fragen musste. "Wie lange wandelst du bereits auf Erden?" Diese Frage hatte sich der Weißhaarige von Anfang an gestellt, schließlich war es auch nicht das erste Mal, dass sie darüber sprachen, ohne wirklich zu wissen, wie alt der jeweils andere eigentlich war. Vorausgesetzt Nicolae wusste das überhaupt noch und hatte nicht wie Gabriel irgendwann aufgehört zu zählen. In seinem Clan hatte es auch deutlich ältere Vampire gegeben, die aber immer nur sehr ungenaue Angaben darüber machen konnten. Gabriel verstand es durchaus. Nicolae war seit langem aber der erste Vampir, der wirklich ein unmenschliches Alter zu haben schien. Seit die Existenz der Vampire an die Öffentlichkeit geraten war, hatte Gabriel überwiegend Jungvampire oder eben welche in seinem Alter kennen gelernt. Die wirklich alten schienen von der Bildfläche verschwunden zu sein. Vermutlich hatte es diese aber nicht in die großen Städte gezogen, immerhin waren sie ein anderes Leben gewohnt. Doch was hatte Nicolae dann hier zu suchen? Angesichts der Tatsache, dass er so ausgehungert gewesen war, tippte Gabriel beinahe darauf, dass er nicht mit Absicht hierher gekommen war. Zu schade, dass Gabriel vermutlich nicht mehr darüber in Erfahrung bringen können würde. Er schätzte den anderen nicht so an, als würde er derartige Informationen bereitwillig über sich preisgeben. Dabei interessierte der Schwarzhaarige ihn doch so sehr. Zu schade eigentlich.

Zumindest ersparte ihm Gabriel die Unannehmlichkeit, weiter darauf einzugehen. Vielleicht wollte er aber auch einfach keinen Streit anfangen. Dafür stellte er eine andere Frage, die geradezu vor Neugierde überlief. So etwas von einem derart desinteressierten Vampir zu hören, löste ein unbekanntes Gefühl in Nicolae aus. Warum fragte der andere so etwas? Was würde ihm dieses Wissen bringen? Nicolae musterte ihn kurz misstrauisch, doch er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, wie es sich dabei um eine Finte handeln sollte. Oder warum. Also war er einmal so gütig, diese Information mit Gabriel zu teilen. "136 Jahre." Ja, er hatte mitgezählt. Jedes verdammte Jahr, dass er alleine gelassen wurde. Unbewusst knirschte Nicolae mit den Zähnen und fixierte dabei den Weißhaarigen mit seinem Blick. Er wollte seine Reaktion sehen, in der Hoffnung so zu erfahren, was er mit dieser Information wollte. Kurz dachte er sogar darüber nach, diese Frage zurückzugeben, doch er sah keinerlei Nutzen darin. Er wusste bereits, dass Gabriel jünger war und das reichte ihm. Was bedeutet das genaue Alter schon, wenn man ein unsterbliches Wesen war? "Wieso fragst du?", musste er schließlich doch nachfragen. Ihm war klar, dass er aus Gabriels gleichgültigen Blick, den er so gut wie immer trug, nicht sonderlich viel würde ablesen können. Und da er nicht auf den Mund gefallen war, versuchte Nicolae es lieber gleich über den direkten Weg.

Nicolaes Alter war schon beachtlich, das musste Gabriel zugeben, auch wenn er bereits deutlich ältere Vampire hatte kennen gelernt. Was ihn mehr an der Aussage überrascht war, dass Nicolae tatsächlich eine genaue Zahl nennen konnte. Ob es nun wirklich sein richtiges Alter war, oder er nur irgendeine Zahl genannte hatte, um nicht preiszugeben, dass er es nicht wusste, konnte der Weißhaarige nicht einschätzen. Allerdings wirkte Nicolae derart angespannt dabei, dass Gabriel das Gefühl nicht los wurde, dass der andere unter diesem Alter litt. Bei dem einsamen Leben, das der Schwarzhaarige führte, wunderte das Gabriel jedoch auch nicht. Ob er wusste, dass in der richtigen Gesellschaft alles einfacher war? Oder hatte er tatsächlich seine Gründe dafür, dass er alleine war? Zu gerne hätte er weiter gebohrt, doch Gabriel war klar, dass der andere nicht darauf eingehen würde. "Deine Regeneration ist sehr schnell, das kannte ich bisher nur von den besonders alten Mitgliedern meines alten Clans", erklärte Gabriel gelassen auf die Frage nach dem Wieso. "Allerdings hatten wir auch deutlich ältere Mitglieder." Vermutlich war die Intensität der Selbstheilung genauso dem Zufall überlassen, wie alle anderen Fähigkeiten auch. Oder war es möglich, dass er zwei besondere Fähigkeiten besaß? Immerhin konnte sich Nicolae auch schon teleportieren. Das wäre das erste Mal, dass er jemanden traf, der zwei solcher Fähigkeiten besaß.

Was war das denn für ein Grund, um nach dem Alter zu fragen? Auch wenn Nicolae nicht so ganz den Sinn dahinter verstand, nahm er es so hin. "Vielleicht hat es ja nicht nur etwas mit dem Alter zu tun, sondern auch der Erfahrung?" Auch wenn er den Satz wie eine Frage formulierte, so wollte der Schwarzhaarige doch keine Antwort darauf. Stattdessen bohrte sich sein Blick geradezu in Gabriels Gesicht. "Ich musste in meinem Leben beinahe schon zu oft auf diese Fähigkeit zurückgreifen, vielleicht ist sie bei mir einfach nur gut trainiert." Warum auch immer er das dem anderen mitteilte. Was hatte er schon mit dessen alten Clanmitgliedern zu tun? Auch wenn ihn der Gedanke daran, ebenfalls so alt zu werden, beunruhigte. Wie immer verdrängte Nicolae ihn sogleich wieder und zwang ihn zurück in sein Unterbewusstsein. Nun hatte sich doch eine Frage an Gabriel in seinem Kopf gebildet. "Was ist mit ihm passiert?" Wenn Der andere einen Clan gehabt hatte, warum war er dann nach Napolia gekommen, um sich scheinbar vergebens, immerhin flehte er jemanden wie Nicolae an bei ihm zu bleiben, nach einem neuen umzusehen? Eigentlich konnte er sich die Antwort darauf denken und doch wollte er sie von Gabriel hören. "Deinem alten Clan meine ich." Die Tatsache, dass sie eigentlich jagen wollten, weil ihnen beiden der Magen knurrte, und sie nun hier mitten auf der Straße standen und sich unterhielten, störte Nicolae überraschend wenig. Aber was hatte er auch schon zu verlieren? Zeit hatte er immerhin zu genüge. Und auch wenn er es sich nicht eingestehen mochte, so war Gabriels Gesellschaft doch ganz nett.

Dass Nicolae bereits zumindest harte Kämpfe hinter sich hatte, das war Gabriel klar gewesen. Immerhin sprach die Narbe in dessen Gesicht für sich. Und als Vampir eine solche Narbe zu erhalten war nun  wirklich eine Herausforderung. Ob aber dadurch wirklich die Effizienz seiner Selbstheilung stieg? Im Grunde konnte Gabriel es nicht beurteilen. Scheinbar genauso wenig wie der Schwarzhaarige. Allerdings ließ dieser ihm auch gar nicht die Zeit, weiter darüber nachzudenken, da er ihm eine Frage stellte, die Gabriel wie ein Schlag ins Gesicht traf. Natürlich war ihm klar gewesen, dass er früher oder später wieder darüber sprechen würde, doch in diesem Moment hatte er einfach nicht damit gerechnet. Das erste was er tat, war seinen Kopf leicht zu drehen, so dass er seinen Blick abwandte. Was genau sollte er sagen? Wie sollte er es formulieren? Für einen Augenblick war der Weißhaarige tatsächlich überfordert, ehe er seine Gefühle wieder unter Kontrolle hatte. Zurück zu Nicolae schaute er dennoch nicht. //Den gibt es nicht mehr.// Was Nicolae nun mit dieser Information anfing, überließ er dem Mann. Auch wenn Gabriel befürchtete, dass er genauer nachfragen würde. Zum einen freute er sich ja, dass der Schwarzhaarige nun tatsächlich so etwas wie Interesse an ihm zeigte. Jedoch hatte Gabriel noch nie mit jemandem darüber gesprochen. Wie auch? Die Wunden waren noch frisch. Selbst wenn er in der kurzen Zeit, die dieser Überfall her war jemanden getroffen hätte, er fühlte sich noch nicht bereit dazu.

Nicolae ärgerte sich beinahe darüber, als Gabriel auf einmal sein Gesicht abwandte. Er hatte dessen Mimik lesen wollen und bekam stattdessen die kalte Schulter gezeigt? Aber die Art und Weise, wie Gabriel ihm antwortete, ließ Nicolae seinen Ärger vergessen. Allem Anschein nach hatte der Weißhaarige Probleme damit, darüber zu sprechen. Also hatte sich sein Clan vermutlich nicht einfach nur aufgelöst. Er hätte weiter bohren können, zu seiner Überraschung beließ Nicolae es aber dabei. In diesem Moment wirkte der Mann derart zerbrechlich, dass der Schwarzhaarige es gar nicht gekonnt hätte. Anscheinend war er trotz all der Jahre der Einsamkeit und des Misstrauens doch kein vollkommener Trampel geworden. Wie er mit dieser Situation nun umgehen sollte, wusste Nicolae dennoch nicht. Ohne groß darüber nachzudenken, berührte er Gabriel kurz an der Schulter. Eine Handlung, die er bis gestern um keinen Preis der Welt von sich erwartet hätte. Er übermittelte seine gelassene Stimmung, erhielt im Gegenzug aber auch Gabriels negative Energie, die Nicolaes Verdacht, dass seine Familie aus welchem Grund auch immer, getötet worden war. "Lass uns endlich jagen gehen, sonst ist es bald wieder zu spät." Die Worte sprach er nur laut aus, um die Peinlichkeit von eben etwas zu übertönen. Wie war es nur dazu gekommen, dass er mit jemandem, den er nicht mal wirkliche einen Tag kannte, derart vertraut umging? In all den Jahren, die Nicolae bereits lebte hatte er zu niemandem ein solches Verhältnis aufbauen können. Selbst seinem Schöpfer gegenüber war er distanzierter gewesen.

Zu Gabriels Überraschung fragte Nicolae nicht weiter noch. Stattdessen tat er etwas, was den Weißhaarigen beinahe noch mehr aus der Bahn warf. Er berührte ihn, wenn auch nur kurz, und tauschte Gefühle mit ihm aus. War das etwa ein Versuch gewesen, ihn zu trösten? Auf jeden Fall ließ Nicolae das Thema komplett fallen und richtete die Aufmerksamkeit stattdessen wieder darauf, weswegen sie eigentlich hier zusammengekommen waren. Ob der andere wohl auch mal jemanden verloren hatte, der ihm wichtig gewesen war und seinen Schmerz deswegen verstehen konnte? War er deswegen alleine unterwegs? Doch auch wenn Gabriel die Schmerzen eines solchen Verlusts nun kannte, so konnte er sich dennoch nicht vorstellen sein Dasein alleine deswegen ab sofort alleine zu fristen. Er brauchte einfach eine Familie um sich. Vorsichtig richtete er seinen Blick wieder auf Nicolae, der ihn nach wie vor anschaute, während er das Gefühl an seiner Schulter, das nur langsam abflaute genoss. Obwohl es noch gar nicht so lange her war, dass er seine Freunde um sich gehabt hatte, kam es ihm doch wie eine Ewigkeit vor, in der er keinerlei Kontaktaustausch mit anderen Vampiren gehabt hatte. Nur zu gerne ging er auf Nicolaes Gespräch ein, das ihm gerade zumindest etwas Ablenkung versprach. "Hast du einen Zielort?" Auch wenn Nicolae hier vielleicht noch neuer war, als er selbst, so wollte Gabriel doch ihm die Führung dieser Jagd überlassen. Immerhin war das irgendwie auch ihre Abmachung gewesen. Bis der Schwarzhaarige antwortete, musterte Gabriel ihn. Ob er wohl mit diesem Vampir den Grundstein für einen neuen Clan legen konnte? Oder würden sich ihre Wege nach dieser Nacht endgültig trennen? Gabriel wusste einfach nicht, wie er den anderen einschätzen sollte.

Als Gabriel sich ihm wieder zuwandte, bemerkte Nicolae, dass sich irgendetwas in seinem Blick geändert hatte. Hatte er gerade möglicherweise einen Fehler begannen? Er wusste nicht so recht mit dieser Situation umzugehen und war dementsprechend erleichtert, dass Gabriel sich nicht weiter dazu äußerte und stattdessen nach seinem Ziel fragte. Nicolae wurde klar, dass er von Gefühlen keine Ahnung hatte, aber woher auch? Selbst mit seinen eigenen Empfindungen hatte er sich bisher wenig auseinandergesetzt, hatten sie immerhin die meiste Zeit aus Gefühlen bestanden, die ihn nicht weiter brachten. Wieder einmal verfluchte er Xurix dafür, dass er ihn einfach alleine gelassen hatte und fragte sich gleichzeitig, wie immer wenn er an ihn dachte, wo er momentan wohl war, ob er noch lebte und ob er ihn wieder sehen würde. Gabriels Frage brachte ihn aber schnell wieder auf andere Gedanken. "Nein", gab er ohne Umschweife zu. Wozu auch? Selbst wenn er sich hier ausgekannt hätte, wäre Nicolae lieber erst einmal scheinbar Planlos durch die Straßen gelaufen. So hatte er bisher noch immer die beste Beute gemacht. "Komm einfach mit", wies er den anderen an und setzte sich auch schon in Bewegung. Es war ungewohnt jemanden bei sich zu haben und unweigerlich musste er wieder an seinen Lehrmeister denken. Wie er ihm damals das Jagen beigebracht hatte. Wie sie zusammen nächtelang durch das Land gestreift waren. Er seufzte lautlos auf. Wo kamen auf einmal all diese Erinnerungen und Gefühle her? War dieser Kontakt mit Gabriel wirklich gut für ihn, oder sollte er doch noch das Weite suchen?

Gabriel war nicht entgangen, dass Nicolae mit einem Mal sehr nachdenklich geworden war. War es wegen dem, was er bei dem Kontakt eben gespürt hatte? Nachzufragen war keine Option für den Weißhaarigen, da er sich sicher war, dass der andere sowieso alles abstreiten würde. Er spielte wirklich mit dem Gedanken, Nicolae einfach zu zwingen. Vielleicht war es aber besser, das auf nach die Jagd zu verschieben, wenn sie nicht nur entspannter, sondern hoffentlich auch nicht mehr durstig waren. Ohne zu zögern folgte Gabriel dem Vampir, wobei er immer einen Schritt hinter ihm blieb. Und während sie schweigend und nahezu lautlos der Straße folgten, hatte Gabriel all seine Sinne nach außen gerichtet. Nun war keine Zeit mehr, sich irgendwelchen Gedanken hinzugeben, immerhin waren sie hier auf der Jagd. Doch das einzige, was Gabriel spürte, waren einige andere Vampire in ihrer Nähe, die vermutlich genauso auf der Suche nach Beute waren, wie sie selbst. Es musste doch irgendeine Möglichkeit geben, einfacher an Menschen zu kommen. Nachts waren die Straßen wie ausgestorben. In ihren Häusern waren sie zwar eigentlich nicht sicher, doch kaum jemand war so lebensmüde, in diese einzubrechen. Man wusste nie, in welchen es Alarme gab. Selbst den schnellsten Vampiren gelang meistens nicht mehr die Flucht. Ob Gabriel seine Jagd wohl auf den Tag verlegen sollte? Er würde auffallen, aber gleichzeitig hatte er mit seiner Hypnosetechnik einen großen Vorteil. Selbst in großen Menschenmengen würde er so eine einzelne Person abtrennen können. Nicht das erste Mal, dass er diesen Gedanken in Erwägung zog, allerdings war er noch nicht Tagsüber in der Neustadt unterwegs gewesen und wusste daher nicht, welche Fallen dort auf einen warteten. Sein Blick heftete sich an Nicolaes Rücken. Ob der Schwarzhaarige möglicherweise mehr wusste?

Hätte Nicolae die schwache Energie der schlafenden Menschen nicht in deren Häuser gespürt, wäre er davon ausgegangen, dass es sich hierbei um eine Geisterstadt handelte. So etwas hatte er in all seinen Lebensjahren noch nie erlebt. Selbst in den kleinsten Ortschaften war mindestens immer ein Verrückter unterwegs gewesen. Die Zeiten hatten sich wirklich geändert und das frustrierte ihn. "Und wenn wir einfach in ein Haus einbrechen? Darin sitzen sie wie auf dem Präsentierteller." Er fragte sich sowieso, warum das niemand tat. Es wäre so viel einfacher. Zwar vermutete Nicolae, dass es dafür einen guten Grund gab, da er aber noch nicht allzu lange hier war, war ihm dieser nicht bekannt. Noch ehe Gabriel ihm jedoch antworten konnte, ertönte auf einmal ein ohrenbetäubender, schriller Lärm, der die Stille der Nacht zerriss. Alarmiert schaute sich Nicolae um, doch es war nicht bei ihnen. Der Lärm musste von ein, zwei Straßen weiter kommen. Sich möglichst im Schatten haltend, huschte der Schwarzhaarige los. Er wollte die Quelle dieses Geräusches ausmachen, möglicherweise bedeutete es Nahrung. Seit er hier war, hatte er diese Sirene schon des öfteren gehört, jedoch immer nur aus der Entfernung. Da er in der Nähe die Energie gleich mehrerer Vampire spüren konnte, war ihm klar, dass diese etwas damit zu tun haben mussten, was Nicolae gleich noch etwas vorsichtiger werden ließ. Sich selbst in Gefahr zu bringen war immerhin nicht sein Ziel dieser Nacht gewesen.