Stadtpark

Inmitten der großen Stadt Napolia gibt es diesen schönen Flecken Natur. Zudem ist er einer der wenigen Orte, der nicht mit Vampir-Kameras ausgestattet ist.

[Ren und Luca cf: Neustadt, Einkaufszentrum]

Das hätte er sich eigentlich denken können, dass es Ren hier zu voll war. Nachdem Luca gezahlt hatte, machten sie sich also auf den Weg zum Stadtpark. Auf dem Weg dorthin startete Ren ein neues Gespräch mit der Frage, wie sie nun andere Rebellen fanden. Eine ausgesprochen gute Frage. Da es in der Schule verboten war, öffentlich darüber zu reden, durfte es sich als äußerst schwierig erteilen. Theoretisch konnten sie schon von der Schule fliegen, wenn sie es dem falschen erzählten und der petzen ging. Allerdings bezweifelte Luca, dass es allzu viele solcher Schüler gab. Und ob der Direktor wirklich etwas unternehmen würde? Die meisten Lehrer waren ja selbst gegen diesen Vertrag und verhielten sich auch entsprechend.

"Vielleicht sollten wir mal die AG Liste im Auge behalten?" Vielleicht war ja jemand so klug, eine AG zu gründen, die sich an den Vertrag hielt, aber bei der es doch offensichtlich war, worum es ging. Luca selbst wollte sich jedoch nicht diese Mühe machen. "Am besten ist es wohl, wenn wir einfach die Ohren offen halten. Irgendwer wird schon verrückter sein als wir, und wirklich nach anderen suchen, vorausgesetzt, es gibt wirklich noch mehr Rebellen." Er grinste Ren kurz an. Sicher war es praktisch, einige Mitstreiter zu finden, aber sie beide bildeten auch schon ein super Team. "Oder hast du eine andere Idee?" Vielleicht war auch das die Intention hinter dieser Frage gewesen.

Luca ging ja richtig locker an die Sache ran, dabei war er es doch gewesen, der das zuerst vorgeschlagen hatte. Und generell war alles von Luca ausgegangen, was den Kampf gegen die Vampire anging. Obwohl er seine Familie nicht verloren hatte, schien er viel mehr Hass für diese Wesen zu empfinden, als Ren. "Nein. Ich dachte nur, du hättest dir mittlerweile vielleicht etwas überlegt." Ren schaute sich kurz in dem Park um, den sie nun endlich erreicht hatten. Hier und da waren ein paar Leute, aber an sich war es hier angenehm ruhig. "Lassen wir heute das Training ausfallen?", wechselte er erneut das Thema, während er eine der Bänke ansteuerte. Die letzten Wochen, hatten sie täglich mit ihren Waffen trainiert, wollten sie das jetzt während der Schulzeit weiter so machen?

Obwohl es eigentlich zu kalt dazu war, ließ sich Ren auf die Bank fallen, nachdem sie bei ihr angekommen waren. Der Weg hierher war schon genug Bewegung gewesen, um sein Essen zu verdauen. Auch wenn der Park schön war, sehr groß war er nicht, hatte Luca vor die ganze Zeit im Kreis zu laufen? Außer Puste war Ren noch lange nicht, trotzdem wollte er sich einfach kurz hinsetzen, zumindest so lange, bis ihm kalt wurde. So war es für ihn auch einfacher die anderen Leute hier zu beobachten.

Luca musterte kurz seinen Freund, der sich gerade auf eine Bank setzte, ehe er auf dessen Frage antwortete. "Hast du heute keine Lust?" Luca war eigentlich davon ausgegangen, dass sie trotz der Schule ganz normal weiter trainieren würden, genug Zeit hatten sie ja trotzdem. Aber wenn Ren keine Lust hatte, dann würde er ihn auch nicht zwingen. Hin und wieder mal eine Pause war ja auch nichts verkehrtes. "Wenn du erschöpft bist ist das kein Problem." Er selbst war vor der Bank stehen geblieben. Fühlte Ren sich vielleicht nicht gut? Vielleicht wurde er ja auch krank, die letzte Zeit hatte er sich so viele Gedanken gemacht, da würde es ihn nicht wundern. "Wir sind ja auch so gut in Form, nicht wahr?" Er lächelte seinen Freund aufmunternd an und ließ sich dann doch neben ihn auf die Bank sinken.

Durch seinen langen Mantel saß er auch nicht direkt auf der kalten Bank, trotzdem würde Luca so wohl nicht lange ausharren können. Sie waren wirklich gut in Form, aber was sie da taten war eben auch nur ein sehr theoretisches Training. Sie hatten nie wirklich gegen einen Vampir oder generell gegen jemand anderen gekämpft und dabei auch alles gegeben. Wenn sie mal gegeneinander kämpften, waren sie dabei doch extrem vorsichtig, wie sich das in einem richtigen Kampf verhalten würde, das wusste wohl keiner von ihnen. Ein weiterer Grund sich mit anderen Rebellen zu verbinden und Erfahrungen auszutauschen.

Ren schaute kurz zu seinem Freund, der sich neben ihm niederließ. "Das meine ich nicht. Von mir aus können wir gerne weiter machen, ich dachte nur, dass wir jetzt vielleicht auch andere Sachen machen." Luca schien also weiter trainieren zu wollen. Letztendlich war diese ganze Sache auch von seinem Freund ausgegangen, und anfangs hatte es Ren auch sehr geholfen. Nun würde er aber auch anders abgelenkt werden, was natürlich nicht hieß, dass er vollkommen darauf verzichten wollte, war es doch irgendwie zu einem Ritual geworden. "Du willst wirklich gegen Vampire kämpfen, nicht wahr?" Das war von Anfang an der Grund gewesen und Ren wollte auch seine Eltern rächen, aber eigentlich wusste er nicht einmal, wer genau seine Eltern getötet hatte. Und deswegen einfach alle Vampire zu töten würde ihn sicher nicht glücklich machen.

"Ich habe manchmal das Gefühl, dass du die mehr hasst, als ich es tue. Dabei haben sie dir doch nichts getan?" Ren schaute seinem Freund direkt in die Augen. Das war etwas, worüber er schon öfters nachgedacht hatte. Natürlich konnte er verstehen, dass Luca sie auch hasste, immerhin waren sie Freunde und er hatte die letzte Zeit auch gelitten. Dennoch hatte der Junge manchmal das Gefühl, als würde er selbst nicht genug Hass fühlen, oder als hätte Luca ihm einfach all diese Gefühle abgenommen und trug sie nun selbst mit sich herum. Es ließ ihm auf jeden Fall keine Ruhe.

Was meinte Ren damit? Verwundert erwiderte Luca den Blick seines Freundes. "Was meinst du mit, sie haben mir nichts getan? Ren, du bist mein bester Freund, schon immer. Sie haben dir unglaubliches Leid zugefügt, sie hätten dich beinah umgebracht, natürlich hasse ich die. Hasst du etwas nicht, was sie dir angetan haben?" Das konnte Luca zwar nicht glauben, wusste er doch, dass es Ren nach Rache dürstete. Aber was, wenn er auf einmal seine Meinung geändert hatte? Konnte das möglich sein? "Ich kann es nicht ertragen, dich so fertig zu sehen. Die letzten Wochen waren auch für mich nicht leicht, weißt du?" Er hielt Ren weiter mit seinem Blick fest. "Du hast natürlich Recht, dass mir bei weitem nicht so schlimmes angetan wurde wie dir, aber das ändert nichts an meinen Gefühlen." Was dachte sich Ren dabei? Was lag ihm auf dem Herzen?

"Wieso denkst du so? Bist du verunsichert?" Luca entschied sich dazu, einfach direkt zu fragen. Ren schien gerade gesprächiger zu sein, das würde er ausnutzen. Trotz allem hatte sein Freund natürlich ein sanftes Wesen. Vielleicht fühlte er sich schlecht, weil er Luca so vielen negativen Gefühlen aussetzte. Das war etwas, worüber er sich keine Gedanken machte, da es für den Jungen selbstverständlich war. Aber Ren konnte Sachen nicht einfach so hinnehmen und dachte viel nach. Er hatte ihn schon oft mit völlig unerwarteten Gedankengängen überrascht, weswegen Luca nun auch aufmerksamer war.

Lucas Worte überraschten ihn schon. Natürlich wusste Ren, dass auch sein Freund unter dem Vorfall gelitten hatte, aber er hatte es vor allem darauf bezogen, dass er Luca auf einmal so auf die Pelle gerückt war und ihn mit seiner Trauer runter gezogen hatte. Luca hatte seine Gefühle wirklich gut verborgen und Ren erschrak es etwas, dass er so gar nichts davon mitbekommen hatte. "Doch, natürlich werde ich ihnen niemals verzeihen können. Aber es fühlt sich an, als würde sich an, als wäre dein Hass so viel stärker. Ich habe deswegen manchmal das Gefühl, als würde ich meine Eltern verraten, als würde ich etwas falsch machen." Ren hatte seinen Blick mittlerweile gesenkt und versuchte sich etwas zu beruhigen. Er hatte eine Weile nicht mehr geweint, irgendwann war es nicht mehr gegangen. Doch diese Gefühle, die ihn gerade überrannten, waren vollkommen unerwartet gekommen.

"Natürlich will ich meine Eltern rächen. Es ist nur, als hätte ich dir all meinen Hass gegeben, und... Ich wusste wirklich nicht, dass du auch so gelitten hast. Irgendwie gibst du mir viel mehr, als ich dir." Auf einmal fühlte sich Ren so schuldig gegenüber seinem Freund. Auch wenn es unbegründet war, so fühlte er sich auf einmal, als hätte er diese Freundschaft nicht verdient und dass Luca ohne ohne ihn viel besser dran wäre. Diese negativen Gedanken schafften es letztendlich tatsächlich, dass sich eine einsame Träne aus Rens Augen löste. Na toll, jetzt heulte er auch noch in der Öffentlichkeit. Er wischte schnell mit seinem Handrücken über seine Wange und versuchte irgendwie wieder Ordnung in seine Gedanken zu bekommen.

Dieser plötzliche Ausbruch überforderte Luca einfach. Ren hatte schon eine Weile nicht mehr geweint, doch nun schien er nah dran zu sein. Er wusste sich nicht anders zu helfen, als Ren zu sich zu ziehen und in seine Arme zu schließen. Zwar waren hier andere Leute, aber es waren so wenige, dass sein Freund hoffentlich nichts dagegen haben würde. "Ren, du gibst mir genug, indem du einfach da bist, okay?" Er redete beruhigend und leise, da sein Mund direkt über Rens Ohr lag. "Was man gibt und bekommt, das nimmt doch jeder anders war. Es ist gut so wie es ist, glaub mir einfach." Natürlich hatte er Ren seit dem Vorfall sehr viel gegeben, aber das war doch vollkommen selbstverständlich. Immerhin wollte Luca auch nichts anderes, als seinen Kumpel glücklich zu sehen.

Er schob Ren etwas weg von sich, um ihm in sein unverletztes Auge schauen zu können. Seine Hände lagen noch immer auf Rens Schultern. "Du verrätst deine Eltern nicht, oder ist dir egal, was passiert ist?" Luca schüttelte kurz seinen Kopf. "Wie ich eben schon sagte, jeder ist anders, jeder geht anders damit um. Nur weil ich so extrem handle heißt das nicht, dass deine Empfindungen schwächer sind, sie sind nur... anders." Hoffentlich verstand Ren, was er damit meinte. Dass sich sein Freund wegen so etwas den Kopf zerbrach und es in sich hineinfraß, war mal wieder typisch. Am liebsten hätte er Ren noch weiter in die Arme geschlossen und ihm so gezeigt, dass er für ihn da war, aber wie auch schon in der Schule wusste Luca nicht, ob ihm das recht war.

Von Luca in die Arme genommen zu werden, war einfach nur schön. Ren spürte sofort, wie er etwas ruhiger wurde. Ein Effekt, den Lucas Berührungen stets mit sich brachten. So ehrlich die Worte seines Freundes auch waren und so sehr Ren sie glauben wollte, das Gefühl eine ungleiche Beziehung zu haben wurde er trotzdem nicht los. Als Luca ihn dann anschaute, konnte er sich einfach nicht seinem Blick entziehen. Alles was sein Kumpel sagte, jedes einzelne Wort, schien Ren Stück für Stück zu beruhigen und seine Gedanken wieder zu ordnen. Auf einmal schienen seine Gedanken wegen seinen Eltern vollkommen nichtig zu sein. Unter Lucas Blick, der nach seinen Worten folgte, konnte Ren nicht anders, als sich wieder an ihn zu drücken, den Kopf auf seiner Schulter abzulegen. "Danke Luca", murmelte er, während er sich nahezu an seinen Freund klammerte und hoffte, dass dieser ihn nicht wieder von sich schob. Er brauchte das gerade einfach.

"Ich wünschte, ich könnte dir all das zurück geben, was du für mich getan hast", sagte er noch leise, obwohl Luca eben klar gemacht hatte, dass er das nicht so wahrnahm. Ren wollte einfach, dass sein Freund wusste, wie dankbar er war, und wie viel er ihm schuldete. Auch wenn er diesen Worten selbst natürlich glauben schenkte. Er genoss die Wärme und den vertrauten Geruch Lucas und hatte sich schnell wieder beruhigt. Auch wenn sie beim Schlafen und generell nicht so aufeinander hingen, war es genau das, was Ren immer beruhigte. Einfach zu wissen, dass Luca da war, dass er für ihn da war, egal wie es ihm gerade ging.

Als ob Ren seine Gedanken gehört hatte, schmiegte er sich auf einmal wieder an Luca und bedankte sich. Nachdem er seine Überraschung überwunden hatte, legte Luca seine Arme wieder um den Jungen und drückte ihn leicht. Seinen nächsten Satz ignorierte Luca einfach. Vielleicht brauchte Ren das einfach, um sich selbst zu beruhigen. Er hatte ihm immerhin alles gesagt und das auch genauso gemeint. Sie gaben mit Sicherheit ein seltsames Bild ab, aber das war gerade bedeutungslos. Und auch nachdem Ren wieder ruhig zu sein schien, löste er sich nicht aus der Umarmung, was Luca in keinster Weise störte. Er hätte noch ewig so verweilen können, wäre es nicht langsam, und trotz ihrer gegenseitigen Körperwärme, kalt geworden.

Schließlich öffnete Luca seine Augen, die er wohl irgendwann geschlossen haben musste, schob Ren aber nicht noch einmal von sich. "Ren?", fragte er leise und unterbrach somit die entstandene Stille. So ruhig wie sein Freund atmete konnte man fast meinen, dass er eingeschlafen war. Nun lockerte Luca doch etwas die Umarmung, um zumindest seinen Kopf heben und Ren anschauen zu können. "Ist alles in Ordnung?" Das war zwar eine recht doofe Frage, aber so knuddelbedürftig war sein Kumpel sonst nicht. Außerdem fragte sich Luca, ob er sich irgendetwas dabei dachte, oder es einfach als selbstverständlich hinnahm. Früher hatten sie zwar auch keinen Körperkontakt beim anderen gescheut, derart nah kamen sie sich aber erst seit diesem Vorfall.

Während Ren die Geborgenheit, die diese Umarmung brachte, genoss, vergaß er jegliches Zeitgefühl. Erst als Luca ihn irgendwann ansprach wurde ihm die Kälte bewusst, die mittlerweile ihren Weg in seine Gliedmaßen gefunden hatte. Peinlich berührt erwiderte er Lucas Blick. Die Tatsache, dass dieser ihn nun anschaute, ihn aber dennoch nicht los ließ, machte es noch unangenehmer für Ren. Nicht dass die Berührungen ihn störten, im Gegenteil. Und genau das war nun auch der Grund, dass er das Gefühl hatte rot zu werden. Dieses Mal war es Ren, der sich von Luca drückte und verlegen zur Seite schaute. "Tut mir leid. Es ist alles in Ordnung." Gerade war er einfach nur verwirrt von sich selbst und dieser ganzen Situation.

"Können wir nach Hause gehen?" Nun schaute er wieder zu Luca auf. Am besten gönnte er sich jetzt eine heiße Dusche um die Kälte aus seinem Körper zu vertreiben und seinen Kopf wieder etwas klarer zu bekommen. Heute Abend konnten sie dann noch trainieren. Heute war so viel passiert, vielleicht brauchte er einfach wieder etwas Routine. "Wenn du nirgends mehr hin willst", fügte Ren leise hinzu. Immerhin waren sie jetzt doch nur esse gewesen und hatten eine Weile hier im Park gesessen. Aber wer hätte ahnen können, dass es sich so entwickeln würde? Ihr Gespräch hatte ihn doch ziemlich aufgewühlt und erschöpft.

Luca fragte sich, ob wirklich alles mit Ren in Ordnung war, da sich dieser auf einmal so seltsam verhielt. Erst suchte er seine Nähe und schien es ihn auf einmal zu stören. Ob er wohl lieber nichts gesagt hätte? Er musterte Ren kurz, ehe er nickte. "Ja, wir können nach Hause, aber lass uns auf dem Rückweg noch durch den Park gehen." Auf der anderen Seite gab es eine Bushaltestelle, außerdem war er ja hergekommen, um etwas rum zu laufen. Viel hatten sie zwar nicht gemacht, aber alleine essen zu gehen hätte Luca schon gereicht. Mal etwas anderes, als den täglichen Alltagskram zusammen zu machen. Also stand er auf und streckte sich erst einmal, um seine kalten Gliedmaßen besser mit warmen Blut zu versorgen.

Gerne hätte er Ren etwas mehr ausgefragt, aber der Junge hatte wohl erst einmal genug für heute. Trotz seiner Genesung durfte Luca nicht vergessen, dass sein Freund nach wie vor emotional ziemlich labil war. Er wollte ihm wirklich keinen unnötigen Stress bereiten, und allein die Tatsache, dass dieser vorhin kurz geweint hatte, zeigte Luca, dass er versagt hatte. Während sein Blick auf Ren ruhte, hätte er ihn am liebsten noch einmal gedrückt, aber damit hätte er wohl nur sich einen Gefallen getan, was ja gerade nicht seine Absicht war. Vielleicht war es doch am besten, wenn sie jetzt erst einmal heim fuhren und etwas Abstand bekamen.

Ren stand ebenfalls auf, erwiderte kurz Lucas Blick, der mal wieder auf ihm ruhte, und machte sich dann langsam zum anderen Ende des Parks auf. Obwohl er sich nun bewegte, dauerte es eine Weile, bis ihm wieder warm wurde. Wie lange hatten sie da nur gesessen? Und was dachte Luca wohl über sein komisches Verhalten? Zu stören schien es ihn ja in keinster Weise, oder? Unsicher schaute Ren zu seinem Freund, der schweigend neben ihm lief, rüber. Wieso machte er sich jetzt schon wieder Gedanken über so etwas? Hatten sie nicht gerade darüber gesprochen? Warum war er nur so unsicher? Er biss sich auf die Unterlippe und versuchte Ordnung in seine Gedanken, die auf einmal wieder durcheinander waren, zu bringen.

Er konnte Luca vertrauen, und er vertraute ihm auch. Als einziger Mensch konnte er sich ihm vollkommen anvertrauen, weil er wusste, dass es Luca nicht anders erging. Gerade eben hatte er das doch noch so deutlich spüren können. Ren atmete einmal tief durch und versuchte sich dann auf andere Dinge zu konzentrieren. Er musste aufhören, immer so negative Gedanken zu haben und irgendwelche unsinnigen Zweifel an sich zu lassen. Wieder schaute er zu seinem Kumpel, dieses mal ließ Ren seinen Blick jedoch auf ihm ruhen und versuchte sich bewusst zu werden, was dieser Mensch ihm bedeutete und was er ihm alles verdankte. Etwas, was durchaus positive Gedanken hervorrief.

Während sie schweigend nebeneinander durch den Park gingen bemerkte Luca das ein oder andere Mal, dass Ren zu ihm schaute. Er ignorierte es, auch wenn er sich fragte, was Ren dabei durch den Kopf ging. Als sie dann so gut wie bei der Haltestelle am Parkende angekommen waren, musterte Ren ihn auf einmal direkt. Auch wenn Luca seinen Freund nicht wieder in Verlegenheit bringen wollte, so konnte er nicht widerstehen seinen Kopf zu drehen und den Blick zu erwidern. "Was ist los?", fragte er, während sich ein sanftes Lächeln auf seine Lippen schlich. Eigentlich hatte er Ren für heute in Ruhe lassen wollen, aber seit vorhin war er schon so komisch. Dem lag doch irgendwas auf dem Herzen.

Luca war stehen geblieben und hatte sich zu seinem Kumpel umgedreht, ihr Bus war sowieso noch nicht da. Gerade überlegte er, ob er nicht doch noch mal genauer nachfragen sollte. Würde Ren damit herausrücken, was ihn offensichtlich beschäftigte, wenn er ihn nur lang genug bedrängte, oder war es doch etwas, über das der Junge sich selbst klar werden musste und wobei Luca ihm nicht helfen konnte? Auch wenn er ihm nicht helfen konnte, hätte er sich doch gewünscht, dass Ren sich ihm anvertraute. Während sein Freund sich darüber freute, wenn jemand für ihn da war, ihm beistand und sich um ihn kümmerte, war es für Luca mit das Schönste, wenn Ren sich ihm einfach nur zeigte, dass er ihm vertraute. Es wäre nur toll, wenn Ren das auch verstehen konnte und sich nicht Sorgen darüber machte, dass er Luca nur ausnutzte.

Ren war so in Gedanken, dass er erst gar nicht bemerkte, wie Luca sich zu ihm umdrehte und seinen Blick erwiderte. Auch wenn er ihn offen beobachtet hatte, so hatte Ren dies nicht erwartet, was ihn verlegen zur Seite schauen ließ. "Nichts ist los. Du schaust mich doch auch dauernd an, darf ich das nicht?", erwiderte er etwas genervt. Aber vermutlich hatte das Luca nicht mal gestört und er fragte einfach nur nach, weil er aufmerksam war. Ren hatte auch nie darüber gedacht, es Luca irgendwie heimzuzahlen, da dieser ihn sicher nicht ständig musterte, um ihn zu nerven. Er wüsste nur mal gerne, warum er manchmal so empfindlich bei seinen Kumpel war. Sein Ärger war auch spätestens dann verrauscht, als er Lucas Lächeln sah. Er brauchte wirklich mal ein entspannendes Bad.

Wie gerufen kam gerade ein Bus an der Haltestelle an, der durchaus ihrer sein konnte. "Na egal, lass uns schnell beeilen." Und schon ging er los, um die letzten paar Meter zum Bus zu überwinden, ehe dieser doch noch ohne sie abfuhr. Er hatte wirklich das Gefühl, dass ihre Beziehung über die letzten Wochen komplizierter geworden war. Und das obwohl, oder vielleicht gerade weil, sich ihre Freundschaft noch intensiviert hatte. Ob Luca das auch so wahrnahm? In Gedanken kramte Ren nach seiner Fahrkarte, die scheinbar in den Tiefen seines Rucksacks verschwunden war. Ihm fiel ein halber Stein vom Herzen, als er sie endlich fand und in den recht leeren Bus einsteigen konnte.

Nanu, störte ihn das etwa so sehr? Doch ehe Luca etwas entgegnen konnte, verschwand Ren schon in Richtung Bus. Etwas zögernd folgte er seinem Freund. Natürlich hatte er nichts dagegen, wenn er ihn so musterte, das hatte er mit seiner Frage auch gar nicht gemeint. Aber sollte er darauf achten, Ren nicht mehr ständig so anzuschauen? Luca tat dies nicht absichtlich, oder mit einer bösen Absicht, aber nach dieser Reaktion schien es Ren wohl doch zu stören. Vorhin hatte er ihn ja auch schon darauf angesprochen. Er stieg hinter seinem Kumpel in den Bus und setzte sich dann auch neben ihn. War das jetzt wirklich egal? Sollte er nichts mehr dazu sagen? Kurz ließ er seinen Blick über Ren schweifen, entschied sich dann aber dafür, nicht mehr von sich aus darauf einzugehen, zumindest während der Heimfahrt.

Er schaute die Rückenlehne seines Vordersitzes an versuchte Rens Verhalten zu verstehen. So sehr er es mochte, wenn Ren sich ihm anvertraute, so sehr hasste er es im Dunkel stehen gelassen zu werden. Seinem Freund gab er keine Schuld daran, vermutlich war ihm das nicht mal klar. Aber Luca wollte auch nicht bei jeder Kleinigkeit nachfragen müssen, ach man. Er strich mit der Hand durch seine Haare und beschloss Ren doch noch mal nach dem Abendessen zu fragen. In ihrem Zimmer würde sein Kumpel sicher noch mal etwas entspannter sein, als gerade im Park, vielleicht würde er dann zumindest herausbekommen, warum seine Blicke ihn so störten.

[Ren und Luca gt: Kovor, Haus von Lucas Familie und Ren]