Lehrraum 4

Dies ist das Klassenzimmer der Klasse-4 (18-19 jährige).

Selina | Shinya

[Shinya cf: Hochschule, Schulhof]

Tatsächlich war Shinya bereits verdammt spät dran. Er schaffte es gerade noch so vor dem Klingeln in die Klasse zu kommen. Der Lehrer war noch nicht da, dafür aber verdammt viele Schüler. Er setzte sich einfach neben einen anderen Jungen, der noch alleine an seinem Tisch saß. Irgendwie war es merkwürdig auf einmal zwischen so vielen fremden Gesichtern zu sitzen, vor allem da dies sein letztes Schuljahr war. Bei einem Schulwechsel war das nun mal, aber recht viele der Schüler schienen sich nicht zu kennen. So war das nun mal, wenn auf einmal so viele Menschen an einen Ort zogen, wie es nun mal bei Napolia der Fall gewesen war. Zumindest fühlte sich Shinya so nicht ganz so verloren.

Schließlich betrat der Lehrer mit zwei Infizierten im Schlepptau die Klasse. Shinya waren die eigentlich relativ egal, auch wenn Ayano ihn schon öfter davon hatte überzeugen wollen, dass es nicht fair war, wie sie behandelt wurden. Natürlich hatte sie da Recht, aber letztendlich konnte sie auch nicht viel daran ändern. Und der Junge hatte sowieso ganz andere Sachen um die Ohren. Er hoffte nur, dass sich seine Schwester nicht in unnötige Schwierigkeiten brachte. Wie er sie kannte war das wohl aber eher ein Hoffen, das sich nicht erfüllen würde. Trotzdem hoffte er, dass sie sich zumindest von Problemen fernhalten würde, aus denen er ihr nicht mehr helfen konnte.

Es war dich einfach nur gemein wie mit ihr, und all den anderen Infizierten umgegangen wurde, als wären sie Aussätzige. Alleine schon dieses Vorführen vor dem Rest der Klasse, wie sollte man sich so denn richtig in die Klassengemeinschaft einfinden? Nun, dank ihres Kleidungsstils war sie es sowieso gewohnt, angeschaut zu werden, auch wenn das hier teilweise völlig andere Blicke waren. Zumindest war sie nicht ganz alleine und es war noch eine Infizierte in dieser Klasse. Allerdings schien diese völlig anders zu sein, als Selina. Zumindest schien sie keinerlei Interesse an einem Gespräch oder dergleichen zu haben, auch nachdem sie sich endlich hatten setzen dürfen.

Nun ja, letztendlich war Selina auch nur hier, um auch das letzte Schuljahr noch hinter sich zu bringen. Das hatte sie jetzt nicht einfach so abbrechen wollen. Außerdem war es ihr ja vielleicht sogar möglich noch ein paar Gleichgesinnte an dieser Schule zu finden. Sie hatte von den Kämpfern gehört, die es gerade hier in Napolia geben sollte, es wäre auf jeden Fall wünschenswert. Aber auch so würde sie sich nach der Schule weiterhin für ihre Sache einsetzen, sobald sie wusste wie. Maria und sie waren gerade erst hergekommen und hatten noch keine wirklichen Kontakte zu anderen Infizierten geknüpft. Sobald sie sich hier eingelebt hatten, würden sie aber auch damit beginnen, immerhin waren sie deshalb erst nach Napolia gekommen.

Beide Infizierte waren Mädchen, doch eine der beiden fiel Shinya sofort ins Auge, was aber vor allem an ihrem Kleidungsstil lag. Schwarz und rot schienen ihre bevorzugten Farben zu sein, außerdem trug sie einen verdammt kurzen Rock und auch ihr Oberteil schien nicht wirklich warm zu halten. Wie konnte sie darin nur die winterlichen Temperaturen ertragen? Ob Infizierte wohl irgendwie immun gegen Kälte waren? Aber das andere Mädchen trug, wie wohl alle anderen hier drinnen auch, dicke Kleidung. Na ja, was machte er sich so viele Gedanken darum? Sie würde wohl wissen was sie tat, letztendlich war es nicht Shinyas Angelegenheit. Schließlich setzen sich die beiden nur einen Tisch vor Shinyas hin, genau dem Lehrer gegenüber, und der Unterricht begann.

Die erste Stunde verstrich erstaunlich schnell und während er die erste kurze Pause nutzte, sich etwas mit seinem Tischnachbarn auszutauschen, hörte er, die Jungs an dem Tische neben ihnen reden. Nun ja, es war eher ein sehr lautes lästern, das mit voller Absicht, wie er meinte, so stattfand und an die zwei Infizierten gerichtet war. Sofort verstand er, wie sich Ayano fühlen musste, und auch wenn er die beiden nicht kannte, so konnte er dieses Mobbing nicht einfach zu lassen. Auf die Gefahr hin, sich in unnötige Schwierigkeiten zu bringen, mischte sich Shinya schließlich doch ein.

"Hey, ihr da, was soll das denn? Ihr kennt die beiden doch gar nicht, lasst sie doch einfach in Ruhe." Sofort bekam er merkwürdige Blicke zugeworfen, und das nicht nur von den beiden Jungs. Was was hätte er sonst tun sollen? Durch seine Schwestern hatte Shinya einen starken Beschützerinstinkt entwickelt, da konnte er nicht einfach zuschauen, wie auf irgendwelchen Leuten herum gehackt wurde. "Was, was. Willst du diese Monster etwa in Schutz nehmen?" Der Junge schaute ihn spöttisch an, was in Kombination mit diesen verächtlichen Worten Shinya eine Gänsehaut über den Rücken jagte. Wie konnte man nur so sein? "Ich mag einfach nur keinen Streit. Sollte man nicht versuchen, miteinander auszukommen?" Wie erwartet brachten diese Worte nichts. Der andere Junge flüsterte seinem Sitznachbarn noch etwas zu, was nur etwas fieses sein konnte, aber zumindest hatten sie fürs erste aufgehört. Das konnte ja ein entspannendes Jahr werden, und dabei hatten diese Gemeinheiten nicht mal auf Shinya abgezielt.

Die erste Stunde ging vorbei und die kleine Pause begann. Selina hätte sich gerne mit ihrer Tischnachbarin unterhalten, doch diese schien keinerlei Interesse an einem Gespräch zu haben. Waren nicht eigentlich freundliche Infizierte hierfür genommen worden? Vielleicht wurden aber auch welche aufgenommen, die bereits vorher zur Schule gegangen waren, so etwas gab es sicherlich auch. Schade, irgendwie war sie davon ausgegangen, zu anderen Infizierten gleich eine gewisse Verbindung zu haben. Selina wurde abgelenkt, als sie Stimmen hinter sich hörte. Es wurde über sie gelästert und das absichtlich laut. Das Mädchen gab sein bestes, es zu ignorieren, auch wenn sie sich fragte, womit sie das nun verdient hatte. Als ob das letzte Schuljahr nicht so schon schwierig genug werden würde.

Sie versuchte sich gerade in ihrem Schulbuch zu vertiefen, als sich jemand einmischte. Ein anderer Junge, der ihr scheinbar helfen wollte? Nun konnte Selina nicht anders, als sich doch umzudrehen. Es war der Junge, der direkt hinter ihr saß. Er hatte kastanienbraunes Haar und erklärte den Unruhestiftern, deren Aufmerksamkeit er nun auf sich gezogen hatte, gerade, dass er einfach keinen Streit mochte. Konnte das wirklich sein? Jemand der sich vorurteilsfrei einfach für andere einsetzte? Oder gehörte er doch zu der Kämpfer Fraktion und wollte das einfach nicht zugeben. Selina musterte ihn kurz, achtete dabei aber darauf, Blickkontakt zu meiden. Sie hatte sich noch nicht wirklich an ihre neuen Fähigkeiten gewöhnt, aber Maria hatte sie davor gewarnt. Sie wusste von ihrer Pflegemutter selbst, wie es war wenn man Blickkontakt zu einem Infizierten aufbaute.

Allzu lange schaute sie den Jungen jedoch nicht an. Zwar freute sie sich, dass es so Menschen wie ihn gab, letztendlich änderte es aber nichts an ihrer Situation hier. Und wenn er wirklich nur was gegen Streit hatte, wollte er vielleicht auch gar nichts mit Selina zu tun haben. Wie auch immer, nun begann auch schon die zweite Stunde. Irgendwie würde sie diesen Schultag schon hinter sich bringen, und die restlichen dieses Jahres aus.

Shinya bemerkte noch, dass das Mädchen mit der schwarzen Kleidung ihn gemustert hatte. Sie hatte sehr dunkelbraune Augen, wie er gerade noch feststellte, ehe sie sich wieder nach vorne wandte. Sie hatte keinerlei Miene verzogen, ob er wohl etwas falsch damit gemacht hatte, sich einzumischen? Aber Shinya war niemand, der bei so etwas einfach wegschauen konnte, auch wenn er noch lange nicht so schlimm wie seine Schwester war.

Als die nächste Stunde begann, erfuhren sie, dass dies die letzte Stunde für heute war. Generell sollte dieser Tag wohl eher zur Orientierung dienen. Nichts was Shinya benötigte, aber es verschaffte ihm unerwartete Freizeit. In der zweiten Stunden machten sie tatsächlich auch nicht mehr, als ein paar Kennenlernspiele. Es war ganz lustig und er konnte schon einige Leute kennen lernen. Und auch wenn sogar der Lehrer bei diesen Spielen die beiden Infizierten gerne mal außen vor ließ, so erfuhr Shinya doch, dass das Mädchen mit dem langen schwarzen Haar Selina hieß. Was er damit anfangen wollte, wusste er selbst nicht so recht, aber scheinbar hatte er einen Narren an ihr gefressen. Nicht gerade etwas, was der Junge gebrauchen konnte. Als die Stunde dann endete, wollte er sich möglichst schnell auf den Schulhof begeben, um seine Schwestern abfangen zu können.

[Shinya gt: Hochschule, Schulhof]

Die zweite Stunde war einfach nur langweilig. Spiele waren ja eigentlich etwas nettes, vor allem wenn man sich dadurch besser kennen lernen konnte. Doch nicht nur die Schüler mieden sie, sondern auch der Lehrer. Etwas, was Selina durchaus erwartet hatte, was sie nun aber doch mehr als schockte. Sie wurde das Gefühl nicht los, dass der Vertrag nicht richtig verstanden wurde. Letztendlich schadeten sich die Menschen durch dieses Verhalten doch nur. Aber immerhin erfuhr sie in dieser Stunde, dass der Junge, der sich eben für sie eingesetzt hatte, Shinya hieß. Auch wenn sie vielleicht enttäuscht wurde, so musste sie dieses mal einfach über ihren Schatten springen und ihn ansprechen. Anders schien sie hier wohl nicht so schnell Freunde zu finden. Zumindest musste sie sich aber bei ihm bedanken.

Es klingelte, was nicht nur diese Stunde, sondern auch diesen Schultag beendete, was ihr nur Recht sein konnte. Selina packte ihre Sachen zusammen und stand auf, wobei sie sich möglichst unauffällig umdrehte, um nach Shinya zu schauen. So ziemlich jeder hier drinnen, inklusive des Jungen, schien es sehr eilig zu haben nach draußen zu kommen, was einen ziemlichen Ansturm auf die Tür bedeutete. Na ja, nachlaufen würde sie ihm jetzt sicher nicht, dann musste sie wohl bis morgen warten. Shinya war auch ziemlich schnell verschwunden, so dass sich Selina alle Zeit der Welt ließ, bis der Andrang schließlich nachgelassen hatte. Da hatte sie sich gerade genügend Mut zugesprochen und dann so was. Na ja, dann würde sie diesen eben nutzen um einkaufen zu gehen. Etwas was sicher genauso unangenehm war, vermutlich noch mehr.

[Selina gt: Hochschule, Schulhof]